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17.02.2022

Starke Konzentration auf dem europäischen Prüfermarkt bei Unternehmen von öffentlichem Interesse

Die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 hatte zum Ziel, Unternehmen von öffentlichem Interesse mehr Auswahl bei der Bestellung ihres Abschlussprüfers zu bieten. Damit sollte die Prüfungsqualität erhöht und das angeschlagene Vertrauen der Marktteilnehmer*innen wiederhergestellt werden. Die Reform hat ihr Ziel verfehlt.

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© Andrey Popov/fotolia.com

Die EU-Abschlussprüfungsreform von 2014 hatte zum Ziel, Unternehmen von öffentlichem Interesse mehr Auswahl bei der Bestellung ihres Abschlussprüfers zu bieten. Damit sollte die Prüfungsqualität erhöht und das angeschlagene Vertrauen der Marktteilnehmer*innen wiederhergestellt werden. Die Reform hat ihr Ziel verfehlt.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des F.A.Z.-Instituts im Auftrag von Mazars in Deutschland mit dem Titel „Abschlussprüfung in Europa: Public Interest Entities (PIEs) – Marktstrukturen in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich“.

Die Studie analysiert die Wettbewerbssituation auf dem PIE-Prüfermarkt und stützt sich auf Zahlen aus 2020. Sie dokumentiert, wie sich die unterschiedlichen Regulierungen in den drei Ländern auf die Auswahlmöglichkeiten von Unternehmen bei der Bestellung ihrer PIE-Prüfer auswirken. Ergebnis: Die Big 4 beherrschen weiterhin den Markt in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich, auch und gerade bei Prüfungen von PIEs. Das Beispiel Frankreich zeigt aber, dass es mithilfe verpflichtender Joint Audits gelingen kann, den Markt für Wettbewerber zu öffnen.

„Die Bilanzskandale der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Qualität der Abschlussprüfung und die Vielfalt auf dem Prüfermarkt erhöht werden müssen. Damit steigt der Druck, eine neue Audit-Reform in Angriff zu nehmen“, sagt Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards von Mazars in Deutschland und Mitglied im Executive Board der Mazars Group.

Seit dem 12. November 2021 läuft in Brüssel ein Konsultationsverfahren zur Vorbereitung einer Reform des Rechtsrahmens für Abschlussprüfungen in Europa. Die öffentliche Konsultation endet am 18. Februar 2022. „Wirtschaftsprüfung braucht den Diskurs. Deshalb wollen wir die Reformdebatte weiter aktiv mitgestalten“, erklärt Regierer die systematische Aufarbeitung der PIE-Daten im Dreiländervergleich.

Marktanteile bestätigen Marktkonzentration

Gemessen am Umsatz der börsennotierten Unternehmen, Versicherungen und Kreditinstitute wird die Marktkonzentration der Prüfungsgesellschaften besonders deutlich: Die Big 4 haben im Vereinigten Königreich einen durchschnittlichen Marktanteil von 99 Prozent an den PIE-Prüfungen, in Deutschland liegt ihre Quote bei 95 Prozent, in Frankreich bei 66 Prozent. Auf die Next 10 entfallen im Vereinigten Königreich nur 1 Prozent, in Deutschland 3 Prozent (andere 2 Prozent) und in Frankreich 19 Prozent (andere 15 Prozent).

PIEs sind ein großer Wirtschaftsfaktor

Zu Unternehmen von öffentlichem Interesse gehören gemäß EU-Definition alle an regulierten Märkten notierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen. PIEs tragen in erheblichem Maß zur Bruttowertschöpfung bei, bilden die tragende Säule der Kapital- und Finanzmärkte und sind damit für die wirtschaftliche Stabilität entscheidend.

Die meisten PIEs wurden im Vereinigten Königreich identifiziert, nämlich 1.659, verglichen mit 1.566 in Frankreich und 980 in Deutschland. Ein anderes Bild zeigt der Blick auf die Anzahl der PIE-Prüfungsgesellschaften: Frankreich kommt auf 256, Deutschland hat 65 und im Vereinigten Königreich konnte die Studie nur 26 PIE-Prüfer ermitteln (Stand 2020).

PIE-Prüfung in Deutschland: Big 4 weit vorne

In Deutschland haben die Big 4 im Jahr 2020 insgesamt – Beratungsleistungen eingeschlossen – einen Umsatz von 8,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Anteil von 84 Prozent am Gesamtumsatz der Top-14-Wirtschaftsprü­fungsgesellschaften (Big 4 plus Next 10). Der Gesamtumsatz der Next 10 lag bei 1,6 Milliarden Euro und damit einem Marktanteil von 16 Prozent.

Besonders auffällig ist die starke Konzentration bei der Prüfung der börsennotierten PIEs. Die 381 an einem regulierten Markt gelisteten deutschen PIEs setzten im Jahr 2020 insgesamt 1,8 Billionen Euro um. Von diesen 381 Unternehmen wurden 240 von den Big 4 geprüft. Die Mandanten der Big 4 allein setzten insgesamt 1,76 Billionen Euro um. Zum Vergleich: Die PIEs, die ihr Testat von den Next-10-Unternehmen erhalten haben, erwirtschafteten nur 15 Milliarden Euro. Das entspricht gerade einmal 1 Prozent vom Umsatz aller Börsen-PIEs.

Vereinigtes Königreich: Stärkste Konzentration im Ländervergleich

Im Vereinigten Königreich ist die Vormachtstellung der Big 4 am stärksten ausgeprägt. Sie teilen sich den größten Teil des Kuchens, während die Next 10 über deutlich kleinere Marktanteile verfügen. Die britischen Ableger von Deloitte, PwC, Ernst & Young und KPMG machten 2020 insgesamt rund 14 Milliarden Euro Umsatz. Die Next-10-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kamen dagegen zusammen nur auf 2,4 Milliarden Euro. Bei einem Gesamtumsatz von 16,4 Milliarden Euro halten die Big 4 damit einen Marktanteil von 85 Prozent, bei den Next 10 sind es nur 15 Prozent.

Frankreich: Marktvielfalt durch verpflichtende Joint Audits

Im Vergleich zu Deutschland und dem Vereinigten Königreich sind die Next 10 in Frankreich deutlich stärker positioniert. Zusammen erzielten die Big 4 einen Gesamtumsatz von 4,3 Milliarden Euro (Stand 2020). Die Next 10 erwirtschafteten insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich für die Big 4 ein Marktanteil von 72 Prozent, die Next 10 kommen auf 28 Prozent. In Frankreich sind Gemeinschaftsprüfungen („Joint Audits“) für Unternehmen von öffentlichem Interesse seit 1966 verpflichtend.

„Am Beispiel Frankreichs zeigt sich ganz deutlich, dass das Prüfungsmodell Joint Audit zu einem vielfältigeren Markt beiträgt und Unternehmen so eine deutlich größere Auswahl an Prüfern haben“, resümiert Regierer.


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