Unternehmensakquisitionen sind das wichtigste Instrument für Konzerntransformation. Das hat eine Studie der Kanzlei Noerr und der Technischen Universität (TU) München ergeben. Dabei stehen Umsatzwachstum durch Innovation und die Digitalisierung im Vordergrund. Die wissenschaftliche Untersuchung basiert auf umfangreichen Interviews mit 21 Topmanagern aus verschiedenen Branchen und beleuchtet die Schlüsselthemen rund um die Transformation von Unternehmen.
Treiber für Konzerntransformation
Als die aktuell drei wichtigsten Treiber für Konzerntransformation nannten fast alle Befragten den technologischen Wandel, die Erfüllung von Stakeholder-Erwartungen und die Veränderung des Geschäftsmodells. Als Treiber, die in Zukunft eine noch größere Rolle spielen werden, werden von den Befragten ESG, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und der „War for Talents“ genannt. „Wir sehen, dass neben dem Umsatzwachstum softe Faktoren an Bedeutung gewinnen, da Konzerne für Talente attraktiv und für Investoren ,investableʻ bleiben müssen“, sagt Dr. Natalie Daghles, Partnerin und Co-Leiterin Mergers & Acquisitions bei Noerr.
Knapp die Hälfte der Befragten gab an, dass Impulse für eine Konzerntransformation vornehmlich vom Vorstand kommen. Zum Teil wurde auch eine eigene Rolle im Vorstand geschaffen und ein Chief Transformation Officer eingesetzt, um die Transformation auf Vorstandsebene zu treiben.
M&A Mittel der Wahl zur Konzerntransformation
Das wichtigste Mittel zur Umsetzung von Konzerntransformation stellen demnach Unternehmenskäufe dar. Zukäufe dienten maßgeblich als Katalysator dieses Prozesses: Sie funktionieren in der Regel besser und schneller als die Entwicklung im eigenen Haus. Eingekauft würden beispielsweise Geschäftsmodelle, die man „so noch nicht kannte oder konnte“, sagt Prof. Dr. Isabell Welpe von der TU München. „Erst in späteren Phasen der Konzerntransformation wird dann auf organisches Wachstum und die Entwicklung aus dem Konzern heraus gesetzt.“
Ein Großteil der Befragten nannte auch den Verkauf von Unternehmensteilen sowie die Gründung von Joint Ventures, Plattformen und Kooperationen als Transformationsmittel, um Zugang zu Know-how, Talenten, Produktinnovationen und neuen Technologien zu erhalten oder auch um neue Märkte zu erschließen.
Für die meisten Befragten ist ein zentrales Motiv bei Unternehmensakquisitionen der Einkauf von Know-how-Aktivitäten (Kompetenz-Insourcing). Weitere Akquisitionsmotive sind Technologieerweiterungen, die Erweiterung des Produktportfolios, Produkt- und Technologieinnovationen sowie die Entwicklung neuer Produkte.
Ein weiteres Motiv sei der Schutz vor Disruption, insbesondere durch Einholung von Expertise im digitalen Bereich, Anpassung an technische Erfordernisse oder Marktgegebenheiten und den Zugang zu neuen Geschäftsmodellen. Dagegen spielen steuerliche Fragen, Haftungsfragen und rechtliche Konsequenzen sowie Mitbestimmung bei Konzerntransformationen nur eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle.
Zugang zu Innovationen
Nachdem in der Interviewreihe Unternehmensakquisitionen als wichtigstes Mittel zur Transformation identifiziert wurden, wurden im Rahmen einer quantitativen Analyse die Unternehmenskäufe in Deutschland auf ihre transformativen Hintergründe untersucht und sektorspezifische Besonderheiten analysiert. Auf Basis einer Stichprobe von 500 Transaktionen im Zeitraum von 2016 bis 2020 aus dem Datenset des Datendienstleisters Mergermarket (vor der Pandemie) wurden die Strategien der kaufenden Unternehmen analysiert.
Danach konnte gut ein Viertel (27 %) aller Unternehmenskäufe in dem Untersuchungszeitraum einem transformativen Hintergrund zugeordnet werden. Knapp drei Viertel der Unternehmenskäufe dienten dagegen eher klassischen Motiven. „Wir sehen eine steigende Tendenz in transformativ motivierten Unternehmensakquisitionen in dem derzeitigen Marktumfeld“, sagt Noerr-Partner Dr. Gerald Reger.
Die Hauptstrategie deutscher Unternehmen lag im Umsatzwachstum durch Zugang zum Produktportfolio (35 %); auffällig häufig wurde diese Strategie im Energiesektor (62 %) verfolgt.
Die zweithäufigste Strategie (19 %) war das Umsatzwachstum durch Eintritt in den geografischen Heimatmarkt des Zielunternehmens. Diese Strategie fand vor allem in den Bereichen Versorgung (40 %) sowie Computer (Hardware) statt (40 %). Die beiden häufigsten mit Unternehmenskäufen verfolgten Strategien sind damit nicht transformativ.
Die dritthäufigste Strategie (17 %) war, das Umsatzwachstum durch den Erhalt innovativer Lösungen und Produkte des Zielunternehmens anzukurbeln. Besonders häufig wurde diese Strategie im Bereich Industrie (Elektronik, 33 %) verfolgt. Das dritthäufigste Motiv ist damit eine transformative Strategie.
Die Studie „Konzerntransformation“ steht hier zum Download bereit.
(Noerr vom 09.08.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)