23.10.2025

Studie zeigt: Warum viele Fintechs scheitern

Erfolgreiche Fintechs unterscheiden sich von den anderen weniger durch Technologie oder Design, sondern durch ihre Fähigkeit, Wachstum wirtschaftlich zu steuern, zeigt eine neue Studie.

Beitrag mit Bild

© pichetw/fotolia.com

Kaum ein Markt wurde in den letzten Jahren so gehypt wie die Fintech-Branche. Doch während Milliardeninvestitionen und Nutzerwachstum Schlagzeilen machten, kämpften viele Anbieter mit der Realität: hohe Kosten, geringe Margen und mangelnde Skalierbarkeit. Eine neue Studie liefert nun Antworten auf die Frage, was erfolgreiche Fintechs wirklich anders machen. Die beiden Co-Autoren der Studie, Prof. Dr. Oliver Roll, Managing Partner bei Prof. Roll & Pastuch sowie Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Marketing und Preismanagement an der Hochschule Osnabrück, und sein Kollege Dr. Johann Thieme, Senior Director und verantwortlich für den Bereich Financial Services bei Prof. Roll & Pastuch, erklären die Hintergründe.

Die Datenlage im Fintech-Markt ist fragmentiert, viele Kennzahlen sind nicht öffentlich, Vergleiche nur begrenzt möglich. Trotzdem lassen sich Muster erkennen. Ihre Studie hat über 40 Fintechs untersucht. Welche waren das und wie kam die Auswahl zustande?

Dr. Johann Thieme: Wir wollten keine Momentaufnahme einzelner Hype-Themen, sondern einen echten Überblick über die Struktur des Marktes. Deshalb haben wir auf eine Kombination aus Marktbekanntheit, Datenverfügbarkeit und Relevanz gesetzt. Die Basis bildete die Hall of Fame des Fintech Germany Awards, ergänzt um einige weitere Player, einige davon auch aus dem Ausland, aber immer mit Geschäft in Deutschland. Wir haben bewusst nur Fintechs berücksichtigt, die sich im Growth- oder Late-Stage-Segment befinden – also solche, die ihr Geschäftsmodell bereits skaliert haben oder auf dem Weg in die Profitabilität sind.

Prof. Dr. Oliver Roll: Das ist wichtig, weil gerade diese Reifestufe Aufschluss darüber gibt, welche Modelle wirklich tragen. Wir wollten nicht darüber sprechen, wer eine gute Idee hat, sondern wer diese Idee wirtschaftlich umsetzt. Deshalb haben wir sehr genau geprüft, ob das Unternehmen noch aktiv ist, ob es belastbare Kennzahlen gibt und ob das Modell am Markt skaliert.

Wie unterscheiden sich die Geschäftsmodelle?

Dr. Johann Thieme: Fintech ist kein homogenes Feld. Wir haben den Markt deshalb in fünf funktionale Cluster eingeteilt: B2C-Plattformen, Wealth- & InvestTechs, Lending & BNPL, B2B-Infrastruktur & API-Plattformen sowie spezialisierte Verticals wie InsurTechs oder PropTechs. Diese Cluster unterscheiden sich fundamental bei Kapitalbedarf, Monetarisierungslogik und Skalierbarkeit.

Prof. Dr. Oliver Roll: Ein B2C-Modell wie N26 oder Trade Republic kann im Prinzip Millionen Kunden gleichzeitig bedienen – das Produkt ist digital skalierbar, aber der Kundenzugang teuer. Ein B2B-Modell wie Mambu oder Upvest wächst dagegen langsamer, hat aber eine viel höhere Monetarisierung pro Kunde. Man kann sagen: B2C lebt vom Volumen, B2B von der Tiefe.

Dr. Johann Thieme: Und diese Mechanik lässt sich tatsächlich messen. Wir haben für jedes Cluster relative Positionen entlang von drei Achsen bestimmt – Skalierbarkeit, Monetarisierbarkeit und Kapitalbedarf. Dabei zeigt sich: je höher die Skalierbarkeit und Monetarisierbarkeit, desto größer in der Regel auch der Kapitalbedarf. Eine Art Dreiecksbeziehung, die die Logik des Fintech-Geschäfts gut beschreibt.

Was trennt die Gewinner von den Verlierern? Warum gelingt es einigen Fintechs, nachhaltig zu wachsen, während andere trotz Funding, Nutzerwachstum und Medienpräsenz stagnieren oder scheitern?

Prof. Dr. Oliver Roll: Erfolgreiche Fintechs unterscheiden sich von den anderen weniger durch Technologie oder Design, sondern durch ihre Fähigkeit, Wachstum wirtschaftlich zu steuern. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie Kunden gewinnen können – aber nicht, dass sie mit ihnen Geld verdienen. Die eigentliche Kunst besteht darin, Reichweite in wiederkehrende, kalkulierbare Erträge zu übersetzen.

Dr. Johann Thieme: Genau das trennt die Gewinner von den Verlierern: Monetarisierung und Kapitaldisziplin. Top-Performer wissen sehr genau, welche Kunden profitabel sind, wie sich ihr Customer Lifetime Value entwickelt und wo die Grenze liegt, ab der Akquisition keinen Sinn mehr ergibt. Sie investieren selektiv und skalieren erst, wenn sich das Geschäftsmodell voraussichtlich trägt.

Prof. Dr. Oliver Roll: Wir sehen in den Daten, dass erfolgreiche Fintechs früh mehrere Erlösquellen kombinieren – etwa Interchange, Abos oder Premiumprodukte. Wer nur auf Volumen setzt, gerät schnell unter Druck, sobald Wachstum teurer wird oder Märkte stagnieren.

Dr. Johann Thieme: Deshalb ist Monetarisierung nicht einfach ein Finanzthema, sondern eine strategische Führungsaufgabe. Sie entscheidet über Bewertung, über die Attraktivität für Investoren – und letztlich darüber, ob ein Fintech als Unternehmen überlebt.

Monetarisierung entscheidet also über die Bewertung. Sind wiederkehrende Erlöse wie Abos oder AUM-Fees besser als volumenbasierte Modelle?

Dr. Johann Thieme: Grundsätzlich ja. Wiederkehrende Erlöse – also Subscriptions, Asset-based Fees oder API-Lizenzen – sind stabiler und planbarer. Volumenbasierte Modelle wie Interchange Fees oder Transaktionsgebühren funktionieren gut in Boomphasen, sind aber konjunkturanfälliger. Für Investoren sind planbare Erlöse die Basis für hohe Bewertungen, weil sie Cashflows besser kalkulierbar machen.

Prof. Dr. Oliver Roll: Entscheidend ist, welches Modell zum Kundennutzen und zur Produktlogik passt. Ein Zahlungsanbieter lebt naturgemäß von Transaktionsvolumen, ein Robo-Advisor oder WealthTech von Assets under Management, ein Infrastrukturanbieter von Lizenz- oder API-Gebühren. Erfolgreiche Fintechs haben verstanden, dass es nicht das „eine“ richtige Monetarisierungsmodell gibt – sondern dass Stabilität aus Diversifikation und Passung entsteht. Viele kombinieren deshalb bewusst mehrere Erlösquellen – etwa ein Grundentgelt über Abos, variable Gebühren auf Volumen und Zusatzservices für Premiumkunden. Das schafft Planbarkeit, ohne die Flexibilität im Geschäftsmodell zu verlieren.

Was lässt sich für Fintechs aus den in der Studie erhobenen Daten lernen?

Dr. Johann Thieme: Wir haben Daten aus Jahresabschlüssen, Finanzierungsrunden und öffentlichen KPIs kombiniert und mit Erfahrungswerten aus Projekten ergänzt. Dabei lassen sich klare Muster erkennen. Im B2C-Bereich liegt der Umsatz pro Nutzer meist im niedrigen dreistelligen Bereich, im B2B-Bereich dagegen oft im fünf- oder sogar sechsstelligen Bereich. Dafür sind die Customer Acquisition Costs bei B2B um ein Vielfaches höher.

Prof. Dr. Oliver Roll: Interessant ist das Verhältnis von Customer Lifetime Value zu Customer Acquisition Cost. Viele Fintechs liegen unter der Zielmarke von 3:1, also dem Verhältnis, bei dem Wachstum profitabel wird. Vor allem im Retail-Bereich sind die Akquisitionskosten im Verhältnis häufig sehr hoch. Aber auch hier gibt es Ausreißer nach oben – etwa bei Scalable Capital oder Moonfare, wo der Customer Lifetime Value durch hohe Assets under Management stark wächst.

Dr. Johann Thieme: Ein weiterer Befund: B2B-Infrastruktur-Anbieter wie Mambu oder Upvest haben oft die besten Unit Economics. Zwar sind die Customer Acquisition Costs mit mehreren Tausend Euro hoch, aber der Kundenwert ist durch langfristige Verträge enorm.

Worauf sollten Entscheider im Fintech-Sektor besonders achten?

Prof. Dr. Oliver Roll: Auf Kapitaldisziplin und Steuerung. Die Zeit des „Wachstums um jeden Preis“ ist vorbei. Investoren schauen heute viel genauer auf Payback-Zeiten, Burn Multiples und Kapitalrendite. Wer seine Ressourcen nicht effizient allokiert, wird in diesem Markt nicht überleben.

Dr. Johann Thieme: Dazu kommt das Thema Positionierung. Viele Fintechs haben heute ein ähnliches Leistungsversprechen – Konto, Karte, Trading. Differenzierung entsteht nicht mehr über Features, sondern über Narrativ und Kundenerlebnis. Erfolgreiche Player erzählen eine klare Geschichte, die Produkt, Marke und Monetarisierung verbindet.

Wie wird sich der Wettbewerb entwickeln?

Dr. Johann Thieme: Wir sehen eine zunehmende Konsolidierung. Der Kapitalmarkt ist selektiver geworden, und viele kleinere Anbieter werden es schwer haben, allein zu überleben. Kooperationen, White-Label-Modelle oder Fusionen werden zunehmen.

Prof. Dr. Oliver Roll: In Märkten mit Netzwerkeffekten ist das fast unausweichlich. Es wird sich ein „Winner-takes-most“-Effekt einstellen – einige große Player dominieren, während kleinere Spezialisten in Nischen überleben. Das ist eine gesunde Marktbereinigung, weil sie Effizienz und Fokus stärkt.

Dr. Johann Thieme: Gleichzeitig öffnet sich Raum für Kooperationen zwischen etablierten Banken und Fintechs. Banken bringen Kapital, Fintechs bringen Geschwindigkeit. Wer beides intelligent kombiniert, hat gute Chancen, im neuen Marktumfeld zu wachsen.

Ihr Fazit in einem Satz?

Dr. Johann Thieme: Der nächste Wachstumssprung im Fintech-Markt wird nicht mehr von Technologie getrieben, sondern von Steuerung, Monetarisierung und Kapitaldisziplin.

Prof. Dr. Oliver Roll: Wachstum ist leicht – profitables Wachstum ist die wahre Kunst.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, Online-Redaktion Corporate Finance, RES JURA Redaktionsbüro


Weitere Meldungen


Meldung

© Zerbor / fotolia.com

22.10.2025

Jede fünfte Rechnung wird nicht pünktlich bezahlt

In Deutschland werden 22 % der Rechnungen nicht fristgerecht beglichen. 17 % davon werden verspätet bezahlt, 5 % gar nicht. Das zeigt die EOS Studie „Europäische Zahlungsgewohnheiten 2025“, für die 2.200 Finanzmanager aus 11 Ländern befragt wurden. Damit hat sich die Zahlungsmoral in Deutschland verschlechtert: Bei der letzten Erhebung im Jahr 2022 wurden lediglich 14 % der Rechnungen verspätet

Jede fünfte Rechnung wird nicht pünktlich bezahlt
Meldung

©peterschreibermedia/123rf.com

21.10.2025

Grüne Bonds als Katalysator für die grüne Transformation?

Grüne Anleihen sollen Kapital in nachhaltige Projekte lenken – doch erfüllen sie dieses Versprechen? Ein neuer ZEW Policy Brief zeigt: Geben Staaten grüne Anleihen aus, können sie über das Auktionsdesign institutionelle Investoren zu einer nachhaltigeren Ausrichtung bewegen. Auch Banken, die grüne Anleihen anbieten, vergeben im Anschluss vermehrt Kredite mit positivem Klima-Impact. Allerdings zeigen sich die

Grüne Bonds als Katalysator für die grüne Transformation?
Meldung

murrstock/123rf.com

20.10.2025

Ein Sommer ohne IPOs

Der deutsche Emissionsmarkt erlebt bis dato ein extrem ruhiges IPO-Jahr. Für positive Impulse sorgen immerhin die Kapitalerhöhungen, die im zweiten Quartal auf einen historischen Tiefstand gefallen waren, nun aber wieder steil nach oben zeigen. Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen von

Ein Sommer ohne IPOs

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank