Überwiegend herrscht in den mittelständischen Unternehmen in Deutschland Konsens darüber, dass es der ökologischen Transformation bedarf. Aktuell besteht jedoch die Gefahr, dass ein zu hoher Detaillierungsgrad sowie eine überbordende Zertifizierungspflicht zu Ausweichstrategien führen könnten. „Die Familienunternehmerinnen und -unternehmer stehen dem Regulierungsziel Klimaschutz positiv gegenüber – nicht zuletzt, weil sie sich aufgrund ihrer regionalen Verwurzelung gegenüber ihrer Heimat und ihren Nachfolgerinnen und Nachfolgern in der Verantwortung sehen. Daneben spielen intrinsische Motive wie die persönliche Überzeugung der Führungskräfte und extrinsische Motive wie die Kundenerwartung eine Rolle“, berichtet IfM-Wissenschaftler Hans-Jürgen Wolter. Zugleich zeigt die Studie „Die unternehmerische Akzeptanz von Klimaschutzregulierung“ aber auch, dass Unternehmerinnen und Unternehmer neue Vorgaben mittlerweile deutlich kritischer sehen, weil sie die Abläufe in den Unternehmen stören und Manpower durch die Beschäftigung mit den neuen Regulierungen binden.
Gefahr der Ausgrenzung von Marktteilnehmern
Besonders negativ bewerten Unternehmerinnen und Unternehmer die steigende Anzahl an Zertifizierungspflichten, weil sie zu zusätzlichen Kosten und einer höheren bürokratischen Belastung führen. „Ein Problem stellt in diesem Zusammenhang auch das begrenzte Angebot an Zertifizierungsmöglichkeiten dar. Dadurch erhöhen sich die Zertifizierungskosten. Das wiederum kann dazu führen, dass ein Teil der Unternehmen leer ausgeht, weil sie nicht ausreichend finanzkräftig sind. Da bestimmte Zertifikate beispielsweise Grundvoraussetzung für den Zugang zu Fördermitteln sowie für die Bewerbung um Aufträge von öffentlichen oder privaten Großkunden sind, werden diese mittelständischen Unternehmen faktisch von der Marktteilnahme ausgeschlossen“, kritisiert Hans-Jürgen Wolter.
Ähnlich kritisch sehen mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer auch die Komplexität der Nachhaltigkeitsberichterstattung, mit denen größere Familienunternehmen und ihre Zulieferer zukünftig konfrontiert sind: So müssen sie zunächst mit Hilfe einer Wesentlichkeitsanalyse herausfinden, über welche der 1.000 Datenpunkte – von der CO2-Blianzierung, über die Klimarisikobewertung bis hin zu Fragen der Gleichstellung und Good Governance – sie berichten müssen. Hinzu kommen Ausnahme- und Aufschubmöglichkeiten, bei denen sie gleichfalls prüfen müssen, welche für sie relevant sind.
Unternehmen mehr Flexibilität zugestehen
Um eine positive Grundeinstellung der Familienunternehmerinnen und -unternehmer gegenüber der ökologischen Transformation zu fördern, empfehlen die IfM-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die klimafreundlichen Regulierungen auf möglichst wenige Instrumente mit möglichst großer Wirksamkeit zu beschränken. Dazu zählen beispielsweise der EU-Emissionshandel, das CO2-Grenzausgleichssystem oder die Klimasozialfonds. Solche flexiblen Lösungen würden langfristig das betriebliche Innovationspotenzial für weiterreichenden Klimaschutz am besten nutzbar machen – und verpflichtende Zertifizierungen auf wenige Schlüsselindikatoren begrenzen.
(IfM Bonn vom 03.06.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)