Nach einem sehr schwachen Jahresauftakt hat sich der weltweite Markt für Börsengänge im zweiten Quartal deutlich erholt. Wurden in den ersten drei Monaten des Jahres nur 205 Börsengänge gezählt, die gerade einmal 15 Milliarden US Dollar einbrachten, stieg die Zahl der IPOs im zweiten Quartal auf 302. Das Emissionsvolumen legte dank einiger IPOs von Großkonzernen sowie stark wachsenden Technologie-Start-ups sogar auf 57 Milliarden US-Dollar zu.
Damit floss den Börsenneulingen deutlich mehr Geld zu als im Vorjahresquartal (plus 14 Prozent). Die Zahl der IPOs lag dennoch erneut – um 17 Prozent – unter dem Vorjahresniveau. Dabei entwickelten sich die Einnahmen in den USA (plus 79 Prozent) und Europa (plus 27 Prozent) am besten. In China lagen die Emissionserlöse hingegen leicht – um vier Prozent – unter dem Vergleichswert aus dem Vorjahr.
Nachdem es in Deutschland im ersten Quartal keinen einzigen Börsengang gab, wagten im zweiten Quartal zwei Unternehmen den Schritt aufs Parkett: Die Volkswagen-Tochter Traton und das österreichische IT-Unternehmen Frequentis. In Summe wurden dabei 1,8 Milliarden US-Dollar bzw. 1,6 Milliarden Euro erlöst. Im Vorjahr hatten im ersten Halbjahr noch 13 Börsengänge insgesamt 8,6 Milliarden US-Dollar bzw. 7,3 Milliarden Euro in die Kassen der Unternehmen gespült.
Mit dem Traton-Börsengang gelingt in Deutschland der im bisherigen Jahresverlauf zweitgrößte Börsengang in Europa – hinter dem italienischen Zahlungsabwickler Nexi. Weltweit ist die Traton-Emission das fünftgrößte IPO seit Jahresbeginn.
Die mit Abstand größte Transaktion war der Börsengang des US-Fahrdienstvermittlers Uber mit einem Emissionsvolumen von 8,1 Milliarden US-Dollar, gefolgt vom IPO des US-Laborzulieferers Avantor (3,3 Milliarden US-Dollar) und dem Uber-Konkurrenten Lyft (2,6 Milliarden US-Dollar).
Das sind Ergebnisse des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young).
„Der weltweite IPO-Markt ist dabei, sich nach dem außerordentlich schwachen ersten Quartal warmzulaufen“, beobachtet Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY. „Im ersten Quartal hatten noch Konjunktursorgen, eskalierende Handelskonflikte und das Brexit-Chaos dafür gesorgt, dass viele potenzielle IPO-Kandidaten ihre Pläne wieder in der Schublade verschwinden ließen. Im zweiten Quartal beobachten wir ein leicht verbessertes Umfeld für Börsengänge. Zum einen hat sich die Brexit-Thematik entspannt – wenngleich nur vorübergehend. Zudem anderen haben sich die Konjunkturaussichten nicht so stark eingetrübt wie befürchtet.“
Als Motor des weltweiten IPO-Marktes erwiesen sich die USA, wo im zweiten Quartal bei 66 Transaktionen insgesamt 27,0 Milliarden US-Dollar eingesammelt wurden. In China brachten 72 IPOs insgesamt 11,3 Milliarden US-Dollar ein, in Europa waren es 12,5 Milliarden US-Dollar bei 48 Börsengängen. „In Europa sehen wir einen deutlichen Aufwärtstrend“, so Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Die Zahl der IPOs hat sich im Vergleich zum ersten Quartal verdoppelt, einige Großtransaktionen haben dafür gesorgt, dass sich das Emissionsvolumen sogar mehr als verdreißigfacht hat.“
Ausblick: Stärkeres zweites Halbjahr erwartet
Unter der Voraussetzung, dass sich die weltweiten Handelskonflikte nicht weiter zuspitzen und geopolitische Schocks ausbleiben, rechnet Steinbach mit einer weiteren Verbesserung der Lage auf dem weltweiten IPO-Markt: „In den USA sorgen vor allem Technologie-Start-ups und Unternehmen aus der Gesundheitsbranche für eine starke Dynamik auf dem IPO-Markt – obendrein entwickeln sich die Kurse der Börsenneulinge gut, was für positive Stimmung unter Investoren sorgt.“ Anleger konnten sich in diesem Jahr im Durchschnitt am Tag der Erstnotiz über Kursgewinne von knapp 16 Prozent freuen.
Auch vom chinesischen Markt dürften wieder Wachstumsimpulse kommen, erwartet Steinbach: „Derzeit warten an den chinesischen Festlandsbörsen mehr als 330 Unternehmen auf eine Zulassung zum IPO, in Hong Kong haben sich mehr als 180 Unternehmen für einen Börsengang registriert. Zudem dürfte das neue Börsensegment für heimische Technologieunternehmen an der Börse Shanghai einige sogenannte Unicorns aufs Parket locken.“
Auch in Bezug auf Deutschland ist Steinbach vorsichtig optimistisch. Er wertet die Börsengänge zum Quartalsende als „positives Signal für die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes in einem schwierigen und immer weniger planbaren internationalen Kapitalmarktumfeld. Ein solches positives Momentum ist wichtig, denn es stehen viele Unternehmen in den Startlöchern, darunter sowohl Wachstumsunternehmen als auch Abspaltungen von Großunternehmen. Nach der Sommerpause erwarten wir ein stärkeres zweites Halbjahr – auch wenn wir nicht das hohe Niveau des Vorjahres erreichen werden.“
Nach wie vor sei allerdings der Brexit ein kaum zu kalkulierender Unsicherheitsfaktor, warnt Steinbach: „Das Brexit-Thema kommt im Herbst erneut auf uns zu und könnte die Stimmung erheblich beeinträchtigen.“
Weltweiter IPO-Markt im zweiten Quartal: Regionen im Überblick
Weltweit | Q2 2019 | Q2 2018 | %-Entwicklung |
Emissionsvolumen (in Mrd. US-$) | 56,8 | 49,7 | 14% |
Zahl der IPOs | 302 | 362 | -17% |
Europa | |||
Emissionsvolumen (in Mrd. US-$) | 12,5 | 9,9 | 27% |
Zahl der IPOs | 48 | 82 | -41% |
China (inkl. Hong Kong) | |||
Emissionsvolumen (in Mrd. US-$) | 11,3 | 11,7 | -4% |
Zahl der IPOs | 72 | 62 | 16% |
USA | |||
Emissionsvolumen (in Mrd. US-$) | 27,0 | 15,1 | 79% |
Zahl der IPOs | 66 | 64 | 3% |
(Pressemitteilung EY vom 28.06.2019)