Chinesische Unternehmen bleiben bei ihren Investitionen in Europa insgesamt noch zurückhaltend, beobachten die Studienautoren. Dazu trage zum einen nach wie vor die Pandemie bei, die auch 2021 noch zu Beeinträchtigungen führte – auch wegen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen, strengen Quarantäne Regeln für Personen, die aus dem Ausland nach China reisen und Lockdowns sowohl in Europa als auch in China selbst. Die meisten chinesischen Unternehmen, die schon im Ausland Firmen übernommen haben, haben sich in den letzten Jahren eher damit beschäftigt, die Restrukturierung in Europa voranzutreiben als weiter zu expandieren – besonders in den Sektoren Automobilzulieferer und Maschinenbau, so die Analyse.
Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Einschätzung der Studienautoren die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus. Die Kaufpreise auf dem M&A-Markt sind zuletzt stark gestiegen – in einigen Fällen wollten die chinesischen Interessenten da nicht mehr mitgehen. Besonders die börsennotierten chinesischen Unternehmen fürchten, mit teuren Zukäufen den eigenen Aktienkurs unter Druck zu setzen, erklären die Autoren der Analyse. Zudem besitzen einige der potenziellen Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Ablehnung durch das Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS) befürchtet wird – und potenzielle chinesische Bieter gar nicht erst eingeladen werden.
Nachlassendes Interesse an Industrieunternehmen
Nach wie vor entfallen auf klassische Industrieunternehmen die meisten Deals – gerade in Deutschland: 12 der 35 Transaktionen in Deutschland und 30 der 155 Transaktionen in Europa fanden im Industrie-Sektor statt.
Allerdings ist deren Zahl rückläufig: 2020 waren europaweit noch 36 Industrietransaktionen gezählt worden. Nach wie vor besteht bei chinesischen Investoren Interesse an europäischen Automobilzulieferern oder Maschinenbauern – allerdings inzwischen eher in den Subsektoren Elektromobilität, Autonomes Fahren und High Tech-Materialien, erklären die Studienautoren.
Chinesische Private Equity-Fonds und Venture Capital-Geber werden immer aktiver
Ein deutlich gestiegenes Interesse macht die Analyse aber an anderer Stelle aus: Chinesische Private Equity-Fonds und Venture Capital-Geber werden immer aktiver. Gerade in Deutschland gab es im vergangenen Jahr einige sehr große Investitionen in Start-ups, an denen chinesische Investoren maßgeblich beteiligt waren. Neben deutscher Ingenieurskunst ist zunehmend ECommerce-Kompetenz gefragt.
Auf High Tech und Softwareunternehmen entfielen im vergangenen Jahr europaweit 27 Transaktionen (Vorjahr: 20). Die Studienautoren sehen ein gestiegenes Interesse etwa an Spieleentwicklern und Softwareprogrammierern. Gerade der aktivste chinesischer Investor vergangenen Jahr, Tencent, habe sich zuletzt in diesem Segment stark engagiert.
Gestiegen ist auch die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen im Bereich Gesundheit: von 16 auf 26 Transaktionen. Der Gesundheitssektor – ob Pharma, Biotech oder Medizintechnik – wird zunehmend zu einem der wichtigsten Zielsektoren chinesischer Unternehmen, weil es in diesem Sektor laut der Studienautoren einen großen Nachholbedarf in China gibt, insbesondere bei der Forschung und Entwicklung.
Großbritannien löst Deutschland als Top-Ziel in Europa ab
Die meisten Transaktionen wurden im vergangenen Jahr in Großbritannien verzeichnet. Mit 36 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (35 Transaktionen) und deutlich vor den drittplatzierten Niederlanden (13).
Im Vorjahr war die Reihenfolge an der Spitze noch umgekehrt: 2020 lag Deutschland mit 28 Transaktionen vor Großbritannien mit 21 Deals.
In dem Maß, wie sich das Interesse chinesischer Investoren weg von klassischen Industrieunternehmen hin zu Technologie-, Software- und Medienunternehmen entwickelt, gewinnt der Zielmarkt Großbritannien an Bedeutung, beschreiben die Studienautoren. Sie sind davon überzeugt, dass Deutschland für chinesische Investoren ein attraktiver Markt bleibt.„Viele chinesische Unternehmen hätten gute Erfahrungen mit ihren Investitionen gerade in Deutschland gemacht. Zudem gebe es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen zwischen China und Deutschland. Laut der Analyse werden in den kommenden Monaten sicherlich weitere chinesische Transaktionen in Deutschland zu sehen sein – vor allem, wenn die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft nachlassen.
Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf der Haushaltsgeräte-Sparte von Philips an die Investmentfirma Hillhouse Capital mit Sitz in Hong Kong für 4,4 Mrd. USD.
Die zweitgrößte Transaktion war die Übernahme des britischen Entwicklerstudios Sumo Digital durch Tencent für 1,1 Mrd. USD, gefolgt von der Übernahme des dänischen Kühlcontainer-Herstellers Maersk Container Industry durch China International Marine Containers für ebenfalls 1,1 Mrd. USD.
Die EY-Studie „Chinesische Unternehmenskäufe in Europa“ können Sie hier herunterladen.