Die Pandemie bremste im vergangenen Jahr die Einkaufstour chinesischer Unternehmen in Europa: Die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen sank um 28% auf 132, das Transaktionsvolumen ging sogar um 91% auf 1,5 Mrd. USD zurück. Auch in Deutschland traten chinesische Investoren seltener auf: Nachdem 2019 noch 39 Transaktionen chinesischer Unternehmen gezählt worden waren, gab es 2020 nur noch 28 derartige Beteiligungen oder Übernahmen – ein Rückgang um 28%. Das Investitionsvolumen schrumpfte um 92% auf 376 Mio. €. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.
Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Start-ups in Höhe von 292 Mio. USD im Jahr 2020, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen in Erscheinung traten.
Corona-Pandemie hat den Transaktionsmarkt spürbar beeinträchtigt
Die Pandemie hat den Transaktionsmarkt spürbar beeinträchtigt, viele Transaktionen wurden verzögert, teilweise lag der M&A-Markt komplett auf Eis, stellen die Studienautoren fest. Auch chinesische Investoren waren deutlich weniger aktiv als in den Vorjahren. Erst ab Herbst 2020 wagten sich Interessenten wieder verstärkt an neue Deals heran.
Die Zurückhaltung im vergangenen Jahr ergab sich zum Teil aus den Eindämmungsmaßnahmen in Europa, zum Teil aber auch daraus, dass das operative Geschäft vieler potenzielle chinesische Investoren selbst durch die Folgen der Pandemie beeinträchtigt wurde: Einige chinesischen Unternehmen, die in der Vergangenheit in Europa Zukäufe getätigt hatten, waren mit pandemiebedingten Umsatzeinbrüchen bei ihren europäischen Gesellschaften konfrontiert. Statt neue Unternehmen zu akquirieren, kämpften sie wie viele andere Unternehmen in Europa mit erheblichen Herausforderungen, denen sie u.a. mit Restrukturierungen begegneten. Auch Unsicherheiten in Bezug auf die Geschäftsaussichten der Zielunternehmen bremsten den Transaktionsmarkt. Zudem gab es aufgrund der Reisebeschränkungen und Lockdown-Maßnahmen ganz konkrete und praktische Probleme bei der Deal-Anbahnung und -Durchführung, stellen die Autoren der Studie fest.
Kaum große Transaktionen
Gerade große Transaktionen waren im vergangenen Jahr Mangelware, was laut der Analyse auch den starken Rückgang der Investitionssummen erklärt. Demnach gab es 2020 viele kleine Deals. Vor größeren Investitionen schreckten die Unternehmen aber angesichts der erheblichen Risiken zurück. Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Angaben der Studienautoren die hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus.
Chinesische Private Equity-Unternehmen auf Einkaufstour in Europa
Nach wie vor sehen die M&A-Experten aber ein großes Interesse chinesischer Unternehmen an einem verstärkten Engagement in Europa. Daran hätten weder der zunehmende politische Widerstand noch die Pandemie etwas geändert. Chinesische Unternehmen kaufen vorrangig in den klassischen Industriebranchen Maschinenbau und Automobil zu, aber auch Biotechnologie und Medizintechnik stehen bei chinesischen Investoren derzeit hoch im Kurs, erklären die Studienautoren. Sie beobachten auch, dass derzeit mehr chinesische Private Equity-Unternehmen hier in Europa unterwegs sind. Teilweise werde mit einem europäischen Private Equity-Haus ein Investitionskonsortium gebildet, um die Dealsourcing-Möglichkeit zu verstärken.
Deutschland Top-Ziel in Europa
Wie in den Vorjahren lag der Studie zufolge der Fokus chinesischer Investoren auf Industrieunternehmen: Insgesamt 36 Transaktionen entfielen europaweit auf Industriebranchen. An zweiter Stelle folgen Konsumgüterhersteller (22 Deals), High-Tech-Firmen (20 Deals) und Unternehmen aus der Gesundheitsbranche (16 Deals).
Mit 28 Transaktionen wurden die meisten Transaktionen in Deutschland gezählt – vor Großbritannien (21 Deals), Frankreich (17) und Schweden (9). In Großbritannien und Frankreich war jeweils ein Rückgang der Transaktionsaktivitäten zu verzeichnen, während die Zahl der Deals in Schweden auf dem Niveau des Vorjahres lag.
Chinesen investieren in schwedische Elektroautos und deutsche Technologieunternehmen
Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr der Kauf weiterer Anteile und somit die Komplettübernahme des schwedischen Elektroautoherstellers National Electric Vehicle Sweden AB (NEVS) durch die Evergrande Group im Volumen von 380 Mio. USD. Die zweitgrößte Transaktion war die 240-Mio.-USD-Finanzspritze für den Münchner Flugtaxi-Entwickler Lilium, die von der chinesischen Tencent Gruppe angeführt wurde. Auf dem dritten Platz folgt der geplante Einstieg der China Communications Construction Group beim portugiesischen Baukonzern Mota Engil für gut 200 Mio. USD – der entsprechende Vertrag wurde Ende November geschlossen.
Zwei der Top-10-Deals haben einen direkten Bezug zur Corona Pandemie: Für 184 Mio. USD kaufte das chinesische Pharmaunternehmen WuXi Biologics der Bayer AG eine Anlage zur Herstellung von Impfstoffen gegen COVID-19 sowie anderer Biologika ab. Und für 50 Mio. USD erwarb der chinesische Pharmakonzern Fosun Pharma einen Minderheitsanteil am Mainzer Biotech-Unternehmen BionTech.
Die EY-Analyse der chinesischen M&A-Deals in Europa finden Sie hier.
(Pressemitteilung EY vom 05.03.2021)