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02.02.2018

Unternehmen müssen M&A beherzter angehen: Wie Szenarien und Risikoprofile Akquisitionsentscheidungen verbessern

Autokonzerne auf der Überholspur

Corporate Finance

Die Digitalisierung setzt deutsche Unternehmen unter massiven globalen Wettbewerbsdruck. Während selbst Konkurrenten aus den fernöstlichen Emerging Markets ihr Portfolio längst mithilfe aggressiver M&A-Strategien optimieren, scheuen europäische Firmen oft das damit verbundene Risiko – und verschlafen so Schlüsselentwicklungen. Dr. Mark Seidler, Partner und geschäftsführender Direktor der Managementberatung Strategic Decisions Group (SDG), analysiert die Gründe.

Über wenige Trends herrscht so viel Einigkeit wie darüber, dass die digitale Transformation alles verändern wird. Unternehmen brauchen in diesem Umfeld neue Zukunftsstrategien. Mit „altem Wein in neuen Schläuchen“ besteht künftig kaum mehr eine Chance, an positiven Marktentwicklungen zu partizipieren und weiter zu wachsen. Tradierte Geschäftsmodelle müssen digital neu definiert werden, die Margentreiber der Zukunft werden andere sein.

Dabei reicht es nicht aus, altbewährte Herangehensweisen zu modifizieren. Vielmehr geht es darum, vollends neue Wege zu beschreiten und flexibel auf exogene Faktoren zu reagieren. Sämtliche Produkte und Geschäftsprozesse gehören auf den Prüfstand. Dafür braucht es neue Impulse und agile Unternehmensstrukturen – doch bis diese innerhalb der eigenen Organisation wachsen, verstreicht viel Zeit, mit teils dramatischen Folgen: Wichtige Wachstumspotenziale werden verpasst, das Unternehmen verliert oft dauerhaft den Anschluss.

Eine Alternative zur Erschließung neuer Umsatzpotenziale bietet der Blick nach außen über Akquisitionen und Zusammenschlüsse. Vielen Unternehmen erscheint dieser Schritt als schlichte Option zur Kostensenkung oder dem Gewinn von Marktanteilen. Doch Effizienz und Synergiegewinne sind nur eine Seite der Medaille. M&A-Strategien sind gerade im digitalen Zeitalter ein wirksames Instrument, um überlebensnotwendiges Know-how hinzuzugewinnen. Über gelungene Fusionen und Übernahmen sichern sich Unternehmen spezielle Technologien und Fähigkeiten, die sie sehr schnell zukunftsfähig machen und die sie organisch nie oder nur äußerst langsam aufbauen könnten. Das Ergebnis kann wettbewerbsentscheidend sein.

Risiken gehören zum Geschäft

Bislang sind innovationsgetriebene M&A-Strategien bei traditionellen Unternehmen jedoch selten zu beobachten, weil die Risiken den jeweiligen Entscheidern unabsehbar erscheinen. Oft fehlt ihnen die Erfahrung bei der Bewertung gerade kleinerer, technologisch neuartiger Übernahmeziele, häufig mangelt es ihnen an der Fähigkeit, junge Organisationen in die bestehenden Strukturen zu integrieren, ohne dabei wichtige Know-how-Träger zu verlieren. Doch unternehmerische Entscheidungen sind so gut wie nie frei von Risiken. Manchmal erscheint die Risikoscheu geradezu paradox; schließlich gehören spekulative Elemente wie Investitionen in konjunktursensitiven Märkten oder der Handel mit Rohstoffen und Devisen zum Tagesgeschäft eines jeden größeren Unternehmens.

Wieso also verhalten sich die Entscheider in vielen Bereichen weniger risikoavers als bei Übernahmen und Zusammenschlüssen? Die Antwort ist so tiefgreifend wie simpel. In den etablierten Investitionsfeldern verlassen sich Manager auf Erfahrungen. In den neuen spekulativen Geschäftsfeldern verfügen sie aber nicht über eine Sprache, mit der sich Chancen und Risiken formulieren und fassbar machen lassen. Gerade bei M&A werden die tatsächlichen Risiken oft überschätzt und die tatsächlichen Chancen unterschätzt.

Risiken besser verstehen

Überdies sind in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem weniger erfolgreiche Übernahmen präsent, die so manchem Entscheidungsträger als abschreckendes Beispiel in Erinnerung geblieben sind. Fälle wie die Übernahme des OTC-Geschäfts des US-Pharmariesen Merck & Co durch den Life-Sciences-Spezialisten Bayer im Jahr 2014 wurden in den Medien ausführlich diskutiert. Damals hatten die Leverkusener im Rahmen der Due Diligence entscheidende Faktoren übersehen und mögliche Synergieeffekte massiv überschätzt.

Solche kostspieligen Fehlbewertungen lassen sich mit einer sorgfältig geplanten und gut geprüften M&A-Strategie vermeiden, die konsequent Szenarien entwirft sowie Chancen und Risiken in jedem Teilprozess breit aufgefächert bewertbar macht. Grundlegend sollten für erfolgreiche Übernahmen oder Zusammenschlüsse in jedem der typischen vier Schritte die jeweiligen Risiken und Chancen bewertet werden:

  1. Analyse der Unternehmensstrategie

Die Unternehmensstrategie beinhaltet insbesondere Wachstums- und Wertsteigerungsaspekte, die es explizit auszuformulieren gilt: Was sind kurz-, mittel- und langfristige Ziele? Wo liegen die eigenen Stärken? Wo besteht Verbesserungsbedarf, wo liegen die größten Wachstumspotenziale für das Unternehmen? M&A sind meist nicht der einzige Weg, um die Unternehmensziele zu erreichen. Entscheider sollten daher sorgfältig die Risikoprofile verschiedener Handlungsmöglichkeiten für das eigene Unternehmen vergleichen. Hierbei ist es wichtig, alle Alternativwege zu berücksichtigen, also auch solche, in denen eine Akquisition nicht in Frage kommt. Erst wenn die Analyse der quantifizierten Risikoprofile ergibt, dass eine Übernahme zur eigenen Unternehmensstrategie passt und man weiß, unter welchen Bedingungen das gelingen kann, sollte man sich auch für diesen Schritt entscheiden. In der heutigen Welt ist hierbei häufig der Blick nach außen lohnenswert.

  1. Auswahl möglicher M&A-Kandidaten

Erscheint externes Wachstum unter Risikogesichtspunkten lohnender als organisches Wachstum gilt es geeignete Fusions- oder Übernahmekandidaten zu identifizieren. Auch diese sollten anhand ihrer einzelnen Risikoprofile miteinander verglichen und angesichts der eigenen Unternehmensstrategie beurteilt werden. Dabei sollte vor allem sorgfältig geprüft werden, ob die erhofften Synergien bei den jeweiligen Kandidaten realistisch sind und welche Chancen und Risiken mit der Transaktion bei unterschiedlichen Wachstumsszenarien verbunden sind. Es muss detailliert analysiert werden, wie sich die Stärken des anderen Unternehmens wachstumsfördernd in das eigene integrieren bzw. wie sich seine Schwächen kompensieren lassen.

  1. Verhandlungen

Ist die Entscheidung für eine M&A-Transaktion gefallen, stellt sich hinsichtlich der Risikominimierung und Wertoptimierung die Frage nach der Gestaltung des Zusammenschlusses: Die Wahl des M&A-Modells hat entscheidenden Einfluss auf die Höhe des finanziellen Risikos einer Transaktion. Bei einem Joint Venture lassen sich Risiken prozentual auf die Partner verteilen, während das kaufende Unternehmen bei einer umfassenden Übernahme zwar das volle Risiko trägt, aber auch von allen Chancen profitieren kann. Anzuraten ist hier die Entwicklung und Analyse alternativer Dealstrukturen anhand der Ergebnisszenarien des Übernahmeziels im Rahmen der Due Diligence.

  1. Zusammenschluss und Integration

Der nächste Schritt, die Vertragsunterzeichnung, leitet den tatsächlichen Zusammenschluss ein. Alle bis dato parallel laufenden Geschäftsprozesse sollten nach und nach konsolidiert und schließlich integriert werden – ein hochkomplexer Prozess, dessen Gelingen maßgeblich von der Vorarbeit in den Phasen 1 bis 3 abhängt. Risiken der Integration, gerade mit Blick auf den strategischen und kulturellen „fit“ beider Unternehmen, sollten in diesen Phasen bereits berücksichtigt worden sein, um das volle Synergie- und Chancenpotenzial der Transaktion zu heben. Besonderes Augenmerk ist auf die Risikofaktoren für die Wertentwicklung zu legen, die in der Analyse aller früheren Phasen identifiziert wurden – und nicht nur auf die sicher zu erreichenden Synergien.

Dieser risiko- und szenarienorientierte Ansatz schreckt viele Unternehmen zunächst ab. Schließlich basieren M&A-Prozesse meist auf unternehmenseigenen Routinen. In jeder Phase des M&A-Prozesses Probleme präzise zu beschreiben sowie Chancen und Risiken anhand von Szenarien zu quantifizieren, passt hier oft nicht hinein. Doch nur so lassen sich Risiken besser verstehen und beschreiben – was die zwingende Voraussetzung für erfolgreiche Risikominimierung ist. Und auch die Chancen werden klarer, was dabei hilft, die typischen Bedenken risikoaverser Entscheider auszuräumen. Für deutsche Unternehmen liegt in einem ausgeprägten risikoorientierten M&A-Ansatz der Schlüssel, um auch in Zeiten des digitalen Umbruchs nicht hinter die Wettbewerber aus Fernost oder dem Silicon Valley zurückzufallen.

Autor: Dr. Mark Seidler ist Partner und geschäftsführender Direktor der Managementberatung Strategic Decisions Group (SDG) und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als strategischer Berater von weltweit führenden Life-Science-Unternehmen. Vor seinem Eintritt in die SDG war Dr. Seidler bei der Bayer AG in verschiedenen Positionen tätig.

 


Redaktion

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