27.08.2025

Polarisierung wird zum Geschäftsrisiko

Laut Political Risk Index erreicht die politische Polarisierung weltweit einen Höchststand und stellt auch Unternehmen vor neue Risiken.

Beitrag mit Bild

Corporate Finance

Die politische Polarisierung hat im weltweiten Durchschnitt einen historischen Höchststand erreicht. Dies geht mit verstärkter politischer Gewalt und unvorhersehbaren Schwankungen in der Regierungspolitik vieler Länder einher und stellt auch Unternehmen vor neue Risiken. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Political Risk Index von Willis, einem Geschäftsbereich des globalen Risikoberatungs- und Maklerunternehmens WTW. „Polarisierung und Populismus nehmen sowohl in den USA und Europa als auch in den Schwellenländern zu“, sagt Silja-Leena Stawikowski, Senior Account Manager Special Risks bei Willis. „Für Betriebe ergeben sich daraus eine Reihe von Risiken.“

Der halbjährlich erscheinende Political Risk Index befasst sich in der aktuellen Ausgabe mit politischer Polarisierung weltweit sowie deren Hauptfaktoren und Folgen: „Polarisierung mag nicht so offensichtlich bedrohlich wirken wie der Ukrainekrieg oder so unmittelbar wirtschaftlich spürbar wie Zollveränderungen“, erklärt Stawikowski. „Doch sie ist persönlicher – das erschwert nicht nur die Risikobewertung und Schadenvermeidung für Unternehmen, sondern beeinflusst auch das Miteinander, etwa in Belegschaften, unter Geschäftspartnern oder in Netzwerken.“

„Affektive Polarisierung“ stark angestiegen

Der Report stellt fest, dass Menschen gegenüber Mitgliedern gegnerischer politischer Parteien oder Gruppen in steigendem Maße feindselige Gefühle entwickeln. Diese Art der „affektiven Polarisierung“ ist insbesondere seit dem Jahr 2000 stark angestiegen und erreicht 2025 einen historischen Höchststand. „Für Unternehmen rückt damit das Thema Polarisierung unter den politischen Risiken auf Platz zwei vor – direkt hinter dem geostrategischen Wettbewerb zwischen rivalisierenden Großmächten“, so Stawikowski.

Länder, in denen gewaltsame politische Konflikte ausgetragen werden, sind in der Regel am stärksten polarisiert – aber im Durchschnitt nimmt die affektive Polarisierung in Demokratien derzeit am schnellsten zu: Betroffen sind nicht nur die Emerging Markets wie Brasilien, Indien, Peru oder Südafrika, sondern auch etablierte Demokratien wie Deutschland, Spanien oder die USA.

Weitere Kernergebnisse des Political Risk Index

Für die Erkenntnisse zur Polarisierung haben Risikoexperten die Daten von mehr als 200 Ländern aus einem Zeitraum ab 1900 analysiert:

  • In Demokratien folgten Polarisierungsschübe in der Regel auf Wirtschaftskrisen oder Korruptionsskandale – dies ging häufig mit dem Erstarken populistischer politischer Bewegungen und einer Zunahme politischer Gewalt einher.
  • Der höchste Grad an affektiver Polarisierung ist weltweit in Ländern zu verzeichnen, in denen der politische Wettbewerb entlang ethnischer oder religiöser Linien verläuft.
  • Lang regierende Politiker und umstrittene Populisten wirken in Ländern wie Pakistan, Tunesien oder Thailand zunehmend spaltend.
  • Geopolitische und außenpolitische Differenzen können ebenfalls zu einer Polarisierung der Gesellschaft führen.

Länderrisiken konkret bewerten

Der Political Risk Index enthält darüber hinaus politische Risikoprofile und -bewertungen für 40 Schwellenländer und -regionen. „Politische Unsicherheit betrifft viele Länder und quasi jedes Unternehmen“, so Stawikowski. Ein Blick auf beliebte Ausweichmärkte wie Indien oder Mexiko zeigt beispielhaft, dass Firmen sich schützen müssen, gleich in welcher Region sie Handel betreiben.

Wie Unternehmen umdenken müssen: Zwei Beispiele

Indien gehört zu den aufstrebenden Wirtschaftsnationen, mit einer jungen Bevölkerung, vielen Talenten sowie wirtschaftlichem Wachstum und Investitionen. Vielen Unternehmen gilt das Land bereits als Ausweichmarkt, um sich unabhängiger von China zu machen. Laut Political Risk Index gibt es jedoch zahlreiche Entwicklungen, die für Firmen zum Problem werden könnten: So erlebt Indien eine massive Zunahme an Spaltung entlang politischer, religiöser, sprachlicher und ethnischer Linien. Auch in Mexiko haben die steigende Ungleichheit und ein populistischer Führungsstil der Regierung eine polarisierte Gesellschaft geformt, in der politische Gegner nicht nur als Meinungsgegner, sondern als verfeindete Gruppen wahrgenommen werden.

Im wirtschaftlichen Bereich lösen in diesen Ländern beispielsweise eine hohe Schuldenquote, potenzielle Kapitalabflüsse, eine volatile Währung oder mögliche Handelsrestriktionen Unsicherheiten aus. „Aus der Analyse zahlreicher Länder ziehen wir den Schluss, dass auch im bislang attraktiv wirkenden Markt Vorsicht geboten ist“, sagt Stawikowski. „Ob internationaler Mittelstand oder Großkonzern – Unternehmen müssen lernen, dass eine vorausschauende Risikoanalyse in allen Ländern zwingend zu ihrer Risikostrategie gehören muss.“

Versicherbare Schäden durch politische Gewalt infolge zunehmender Polarisierung

Organisationen stehen vor wachsenden Herausforderungen, wenn sie in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft agieren. Doch sie haben Möglichkeiten, sich abzusichern: „Gewalt, Bürgerkrieg, innere Unruhen – das sind die klassischen Risiken, bei denen eine Versicherung gegen politische Risiken greift“, so Stawikowski. „Trotz wachsender Nachfrage sind risikoangemessene Prämien möglich – dank verfügbarer Kapazitäten und neuer Anbieter.“ Auch die Nachfrage nach Finanzierungsinstrumenten wie Bürgschaften und Garantien zur Unterstützung internationaler Geschäftsaktivitäten wachse deutlich.

Firmen müssen deshalb proaktiv die Vermögenswerte ihrer ausländischen Tochtergesellschaften sowie Joint Ventures gegen politische Risiken absichern. Laut Index treten neben makroökonomischen und politischen Entwicklungen zunehmend auch staatlich induzierte Risiken auf. Diese äußern sich unter anderem in potenziellen Enteignungen, eingeschränktem Zugang zu Finanzierungsmitteln oder regulatorischen Eingriffen mit schwer kalkulierbaren Folgen.

Dabei sind nicht nur Sachschäden relevant: Auch nicht-physische Schadensszenarien wie plötzliche (nachträgliche) Steuerforderungen, Lizenzentzug, gezwungene Geschäftsaufgabe, Einschränkungen bei Kapitaltransfers oder die Blockierung von Geschäftsaktivitäten durch administrative Maßnahmen seitens des Staates können erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftskontinuität und Reputation eines Unternehmens haben.

(wtw vom 21.08.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)


Weitere Meldungen


Meldung

thodonal/123rf.com

27.08.2025

Deutlicher Umsatzrückgang bei deutscher Industrie

Der Abwärtstrend hält an und verstärkt sich sogar: Der Umsatz deutscher Industrieunternehmen sank im zweiten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,1 %, nachdem er im ersten Quartal um 0,2 % geschrumpft war. Bis auf die Elektroindustrie haben sich alle großen Industriebranchen im zweiten Quartal negativ entwickelt. Am schwächsten entwickelte sich im zweiten Quartal die

Deutlicher Umsatzrückgang bei deutscher Industrie
Meldung

© mojolo/fotolia.com

26.08.2025

Europas Top-Banken steigern Gewinne

Die kumulierten Nettogewinne der zehn der nach Bilanzsumme größten europäischen Banken sind im ersten Halbjahr 2025 quasi unverändert im Vergleich zum Vorjahr: Aktuell lagen sie bei 49,2 Mrd. Euro – im Vorjahreszeitraum lag der Wert bei 49,4 Mrd. Euro. Die kumulierten Nettogewinne der US-amerikanischen Top-Banken sanken deutlich um etwa 11 % auf 78,1 Mrd. Euro. Nahezu

Europas Top-Banken steigern Gewinne
Meldung

© Minerva Studio/fotolia.com

25.08.2025

KfW Research erhöht Wachstumsprognose deutlich

Die Bundesregierung plant, die Fiskalpolitik bereits in diesem Jahr sehr expansiv auszugestalten. Der Fiskalstimulus des Bundes kommt noch schneller und auch größer als gedacht. KfW Research geht deswegen für das Jahr 2026 von einem deutlich stärkeren Wirtschaftswachstum aus als bislang und erhöht seine Prognose um 0,5 Prozentpunkte auf nun 1,5 %. Rückenwind zum Jahresende Für das laufende

KfW Research erhöht Wachstumsprognose deutlich

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank