Der deutsche M&A-Markt kommt vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie zum Erliegen. Das Finanzierungsumfeld ist ausgedörrt, viele Deals liegen auf Eis und die M&A-Berater beklagen leere Auftragsbücher.
Wie tief der Schock sitzt verdeutlichen die Ergebnisse des ersten M&A-Panels, für das die internationale Wirtschaftskanzlei CMS und das Magazin FINANCE leitende Mitarbeiter aus M&A-Abteilungen deutscher Unternehmen sowie Investmentbanker und M&A-Berater anonym zu ihrer Markteinschätzung befragen.
M&A-Deals liegen auf Eis
Die Coronakrise hat am deutschen M&A-Markt deutliche Spuren hinterlassen: Viele laufende Transaktionen werden abgesagt, verschoben oder dauern länger als üblich. Der Grund hierfür ist klar: Mögliche Kaufinteressenten schauen bei Transaktionen genauer hin und prüfen die Bilanzen der Übernahmeziele intensiv hinsichtlich möglicher Corona-Folgen. Die befragten Verantwortlichen für Corporate-M&A bestätigten dies und vergaben auf einer Skala von 1 bis 5 im Schnitt den Wert 4,4, wobei 5 einen massiven Einfluss von Corona bedeutet. Wie groß der gesamtwirtschaftliche Schaden tatsächlich ausfallen wird, hängt von der Länge und Intensität des Shutdowns ab. Diese Unsicherheit spiegelt sich in den Umfrageergebnissen wider. Erstmals seit langer Zeit wird die unsichere, gesamtwirtschaftliche Situation sowohl von den befragten Unternehmen als auch von den M&A-Beratern als wichtiger Dealbreaker genannt. Auf einer Skala von 1 bis 10 (10= sehr wichtig) versahen die M&A-Profis der Unternehmen dieses Kriterium mit dem Wert 7,9 (Unternehmen) beziehungsweise sogar 9,1 (M&A-Berater).
„Die derzeitige Stimmung erinnert an die Stimmung vorangegangener Krisen, wie etwa an das Platzen der Internetblase Anfang des Jahrtausends sowie an die Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009“, so Thomas Meyding, Corporate Partner bei CMS. Allerdings sieht der Anwalt bereits jetzt Branchen, die von der Coronakrise nicht unmittelbar betroffen sind oder sogar profitieren. Unternehmen, unter anderem aus den Bereichen Construction oder Health Care, würden bereits beginnen, den Markt auf mögliche Übernahmekandidaten zu screenen.
Meyding beobachtet noch eine weitere interessante Entwicklung: „Auch werden Projekte, die nicht aufgrund der Coronakrise in Frage gestellt werden – und die gibt es relativ häufig –, angeschoben oder fortgesetzt.“ Strategische Akquisitionen würden weiterhin durchgeführt werden, lediglich große und transformationale Transaktionen werde der M&A-Markt in naher Zukunft nicht sehen, so Meyding.
Krisen-Tugenden rücken in den Fokus
Bei den wenigen noch laufenden Deals heißt das Motto: Safety first! Das verdeutlicht ein Blick auf die aktuellen Dealtreiber. Tugenden für Krisenzeiten – wie Kostensynergien heben – stehen aktuell wieder im Fokus. Wie bereits im Herbst 2019 – damals mit einem Wert von 6,6 – ist die Branchenkonsolidierung für Unternehmen mit einer Bewertung von 7,3 der wichtigste Dealtreiber (10 = sehr wichtig). In der Krise setzen Unternehmen eher darauf, ihre Geschäftsmodelle in der Krise zu stärken. Sie übernehmen lieber direkte Wettbewerber und Zulieferer, anstatt das eigene Portfolio um neue Geschäftsmodelle zu erweitern.
Unternehmen, die in diesen Zeiten zukaufen wollen, müssen sich aber nicht nur auf ein wirtschaftspolitisch aufgeladenes Umfeld und schwierige Finanzierungsbedingungen einstellen. M&A-Verhandlungen ziehen sich derzeit auch in die Länge, wie die Befragten mit einem Wert von 6,8 bestätigten, wobei 10 maximale Zustimmung bedeutet. Die Coronakrise dürfte der Grund für diese Entwicklung sein. Im Herbst lag der Vergleichswert bei 4,9.
Insgesamt zeige sich am deutschen M&A-Markt ein gemischtes Bild, so Oliver Wolfgramm, Corporate Partner bei CMS. „Wir sehen Transaktionen und Verhandlungen, die relativ unbeeindruckt von der Coronakrise fortgeführt werden, und andere, die abgebrochen wurden oder sich – mit ungewissem Ausgang – verzögern.“ Die häufigsten Gründe für eine Verzögerung sieht Wolfgramm in neu aufbrechenden Diskussionen über das Geschäftsmodell, die Belastbarkeit der Planung und damit verbunden auch in Nach- oder Neuverhandlungen des Kaufpreises.
Renaissance der MAC-Klauseln
Dass Unternehmen bei Übernahmen wegen Corona zuallererst auf Sicherheit setzen, zeigt auch die Auswertung der Schwerpunktfragen der Erhebung. Die MAC-Klauseln erleben eine Auferstehung. Ganze 81 Prozent der Befragten stimmten der These zu, dass Corona-MAC-Klauseln in diesem Jahr an praktischer Relevanz gewinnen werden. Der Rest erwartet keine Veränderung. Auch für MAC-Klauseln im Allgemeinen – ohne Corona-Zusatz – erwarten in diesem Jahr 59 Prozent der Befragten eine höhere praktische Relevanz. Uneinig zeigen sich die Unternehmen dagegen beim Thema Gewährleistungen: Während die eine Hälfte der Befragten davon ausgeht, dass die Absicherung des Käufers durch Gewährleistungen in diesem Jahr an Relevanz gewinnen wird, erwartet die andere Hälfte keine Veränderung.
„MAC-Klauseln werden sicherlich eine ‚Renaissance‘ erleben“, so Thomas Meyding, „aber auf niedrigem Niveau.“ Auch in der Vergangenheit seien MAC-Klauseln in Krisenzeiten häufiger diskutiert worden, ohne dass dies zu einem signifikanten Anstieg von MAC-Klauseln geführt habe, meint der Anwalt. So verzeichnete die „CMS European M&A Study“ während der letzten Finanzmarktkrise nur einen geringfügigen Anstieg der MAC-Klauseln um drei Prozentpunkte auf 19 Prozent aller untersuchten Transaktionen im Jahr 2009. „Damals standen andere ‚Deal Points‘ im Vordergrund, zum Beispiel ein starker Anstieg von Locked-Box-Konzepten und höheren Haftungshöchstgrenzen“, berichtet Meyding.
Die MAC-Klauseln allein dürften aber nicht ausreichen, um Käufer komplett gegen das Corona-Risiko abzusichern. Darum prüfen Kaufinteressenten jetzt die Businesspläne ihrer Targets intensiv auf „Corona-Folgen“. Dieser Aussage stimmten die Befragten mit einem Wert von 4,4 zu, wobei der Wert 5 für vollkommene Zustimmung steht. Das hat einen handfesten Grund: Der Vermutung, dass negative Folgen im zweiten Quartal einschlagen werden, stimmten die Befragten mit dem Wert 4,7 zu. Mit einem Wert von 3,7 bestätigten die M&A-Professionals die Aussage, dass sich die Unternehmenzahlen bereits jetzt deutlich unter Plan entwickeln. Zudem befürchten viele Unternehmen, dass bei ihnen Covenants unter Druck geraten werden (4,1).
M&A Berater leiden unter der Coronakrise
Die Übernahmeziele sind in Corona-Zeiten rar gesät. Das spürt auch die M&A-Beraterbranche. Sehr deutlich wird dies an der Einschätzung des aktuellen Projektaufkommens der M&A-Berater: Dieses bewerteten die befragten M&A-Berater auf einer Skala von –5 bis +5 in der aktuellen Umfrage mit einem Wert von –1,29 – und damit zum ersten Mal seit Bestehen des Prognoseindikators als unterdurchschnittlich (0 = durchschnittliches Projektaufkommen). Für den Prognoseindikator des M&A Panels machen die M&A-Berater anonym Angaben zu ihrer aktuellen und künftigen Projektauslastung. In die Angaben zur aktuellen Auslastung fließen M&A-Deals ein, deren Signing innerhalb der vergangenen zwei Monate stattgefunden hat oder in den kommenden zwei Monaten ansteht. Die Prognose erfolgt auf Basis bereits erteilter fester Mandate mit erwartetem Deal Signing in den kommenden drei bis acht Monaten (Skala von –5 = stark unterdurchschnittlich bis +5 = stark überdurchschnittlich).
Wie die M&A-Berater die Coronakrise überstehen werden, sei derzeit nicht absehbar. „Das Ausmaß der Konsequenzen der Coronakrise für M&A-Beratungshäuser lässt sich nicht einfach vorhersagen“, sagt Oliver Wolfgramm. Zwei Faktoren beeinflussten die Branche dabei besonders: „Die Dauer der Krise und bleibende Unsicherheiten im Transaktionsmarkt spielen eine zentrale Rolle“, meint Wolfgramm. „Es wird jedoch – wie in jeder Krise – auch Gelegenheiten für opportunistische Käufer geben.“ Davon könnten letztlich wieder die M&A-Berater profitieren – umso mehr, wenn sie Restrukturierungsexpertise besitzen, so Wolfgramm.
(Pressemitteilung CMS vom 30.04.2020)