Das deutsche Start-up, in das bislang die höchste Summe investiert wurde, ist das Berliner FinTech N26 – seit der Gründung im Jahr 2013 erhielt das Unternehmen von seinen Geldgebern insgesamt 1,7 Mrd. USD. Dahinter folgt das Münchner Software-Unternehmen Celonis mit einer Investitionssumme von 1,4 Mrd. USD und der Münchner Mobilitätsanbieter Flixmobility, der auf 1,3 Mrd. USD kommt.
Berlin ist Deutschlands Einhorn-Hauptstadt
Und weitere Einhörner sind im Anmarsch: Insgesamt stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Start-ups, die seit ihrer Gründung mindestens 100 Mio. USD erhalten haben, von 39 auf 62. 41 dieser Top-Start-ups haben ihren Sitz in Berlin, 14 in München.
Das deutsche Start-up Ökosystem hat laut der Untersuchung im vergangenen Jahr einen großen Sprung nach vorn gemacht. Es haben so viele Jungunternehmen frisches Kapital erhalten wie nie zuvor, das Gesamtinvestitionsvolumen erreichte ein Rekordniveau und auch die Zahl der Einhörner hat sich vervielfacht.
Einhorn-Boom: Zahl der Start-ups mit Milliarden-Bewertung stieg 2021 von sechs auf 24
Im laufenden Jahr werden zahlreiche weitere Unternehmen bei ihrer Bewertung die Milliarden-Grenze überspringen, erwarten die Studienautoren. Vor allem FinTechs könnten sich derzeit über hohe Bewertungen freuen. Von den derzeit 24 Einhörnern sind acht Fintechs, jeweils vier sind im Online-Handel oder als Mobilitätsdienstleister, drei sind im Bereich Software & Analytics tätig.
Anlagedruck bei den Investoren ist groß
Der signifikante Anstieg der Zahl der Einhörner im Jahr 2021 ist der Analyse zufolge zum Teil auf das relativ niedrige Finanzierungsniveau im stark durch die Pandemie beeinflussten Jahr 2020 zurückzuführen. Nach der Zurückhaltung im Jahr 2020 war der Anlagedruck bei den Investoren groß, die Schatullen voll, stellen die Studienautoren fest. Gleichzeitig sei ein intensiver Wettbewerb um attraktive Zielunternehmen entbrannt, was die Bewertungen nach oben treibe. Zusätzlich hätten das Niedrigzinsumfeld und die Inflationserwartungen die Attraktivität alternativer Investitionsmöglichkeiten noch weiter erhöht. Hinzu kommt, dass die Professionalisierung des Tech-Ökosystems in Deutschland deutlich zugenommen habe, vorangetrieben von dem Netzwerk und dem Kapital früherer erfolgreicher Gründer und Investoren.
Für 2022 erwarten die Studienautoren ein anhaltend starkes Investitionsgeschehen in Deutschland. Dafür dürften nicht zuletzt zahlreiche neue Risikokapitalfonds sorgen, die am deutschen Markt aktiv sind. Allein im vergangenen Jahr erreichte das Gesamtvolumen der neu aufgelegten Fonds mit Deutschland-Fokus laut EY ein Volumen von 9,6 Mrd. USD. Im Vorjahr waren entsprechende Fonds mit einem Gesamtvolumen von 8,6 Mrd. USD aufgelegt worden. Die Chancen für vielversprechende Start-ups, Wachstumskapital zu erhalten, waren nie so gut wie heute, erklären die Autoren der Analyse.
Mehr Start-ups werden aufgekauft – zumeist von ausländischen Unternehmen
Die steigende Attraktivität des deutschen Start-up-Ökosystems lässt sich auch an der massiv gestiegenen M&A-Aktivität ablesen: Die Zahl der Fusionen und Übernahmen, in die Start-ups involviert waren, stieg im vergangenen Jahr gegenüber 2020 um 90% auf 171. Mehr als zwei Drittel der Transaktionen – 68% – gingen von ausländischen Investoren aus. Das Interesse an deutschen Start-ups ist riesengroß – gerade im Ausland. Und es sind vor allem ausländische strategische Investoren, also Unternehmen, die deutsche Jungunternehmen kaufen, um ihr eigenes Produktportfolio zu erweitern, so die Einschätzung der Studienautoren.
Der Hauptgrund für den aktuellen M&A-Boom sei der hohe Bestand an liquiden Mitteln, den die Unternehmen aufgrund ihrer zuletzt guten Geschäftsentwicklung halten. Günstige Bedingungen für die Akquisitionsfinanzierung und der anhaltende Innovations- und Digitalisierungsdruck dürften die M&A-Aktivitäten weiter ankurbeln, erwarten die Studienautoren.
Sichtbarkeit des deutschen Start-up-Ökosystems hat sich erheblich verbessert
Vor allem nordamerikanische Konzerne interessieren sich für deutsche Start-ups: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 52 Übernahmen deutscher Jungunternehmen durch US-Unternehmen gezählt – 38 mehr als im Vorjahr. Unternehmen aus dem europäischen Ausland haben 49 deutsche Start-ups gekauft, während asiatische Unternehmen nur bei drei Deals zum Zuge kamen. Deutschland hat sich einen guten Ruf als Start-up-Standort erarbeitet, die Sichtbarkeit des deutschen Start-up-Ökosystems hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, stellen die Studienautoren fest. Das erhöhe die Chancen der Jungunternehmer auf einen erfolgreichen Exit. Im vergangenen Jahr haben sich die Exit-Möglichkeiten massiv verbessert – sei es durch einen Börsengang oder den Verkauf an einen strategischen oder Finanzinvestor. Damit floss weiteres frisches Geld in das deutsche Start-up-Ökosystem, was nun investiert werden kann, so das Fazit der Studienautoren.
Die beiden mit Abstand größten Akquisitionen des vergangenen Jahres waren der Erwerb des Berliner Unternehmens-Softwareanbieters Signavio durch SAP sowie den Kauf des Berliner SaaS-Unternehmen Adjust durch das börsennotierte US-Mobile Marketingunternehmen AppLovin für – laut Presseberichten – jeweils 1,2 Mrd. USD.
Auf das Software & Analytics-Segment entfielen nicht nur die größten M&A-Transaktionen des Jahres, zudem wurden bei 43% aller M&A-Deals Software-Start-ups gekauft. E-Commerce und AdTech/Media rangieren mit jeweils 10% weit dahinter. Im In- und Ausland sei vor allem deutsche Tech-Expertise gefragt. Die digitale Transformation der Wirtschaft mache junge Technologieunternehmen zu sehr begehrten Transaktionszielen.
Die EY-Studie „A sky full of Unicorns: German Tech start-ups shape the economy“ können Sie hier herunterladen.