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13.04.2018

Finanzinvestoren kaufen mehr als 200 deutsche Firmen

Autokonzerne auf der Überholspur

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Finanzinvestoren, die Unternehmen kaufen und mit Gewinn weiterveräußern, sind in Deutschland weiterhin sehr aktiv: 2016 haben Private-Equity-Gesellschaften (PE) 212 und damit drei Prozent mehr Unternehmen übernommen als im Vorjahr. Das war das höchste Volumen seit dem Rekordjahr 2007 – unmittelbar vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten war mit 106.000 genauso hoch wie 2015. Die Anzahl der „Exits“, bei denen Finanzinvestoren Unternehmen weiterverkaufen, stieg sogar um mehr als ein Drittel auf 101 Unternehmen mit rund 102.000 Beschäftigten.

Das ergibt der aktuelle „Private Equity Monitor“ der Hans-Böckler-Stiftung. Die jährliche Auswertung stellt die einzige regelmäßige wissenschaftliche Berichterstattung zu Übernahmen durch Private Equity in Deutschland dar.

Mehrheit der finanzierenden Fonds in „Steueroasen“

Der Bericht, den der Private-Equity-Experte Dr. Christoph Scheuplein vom Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen für die Stiftung erstellt, durchleuchtet erstmals auch die Fonds, über die die Firmenkäufe meist finanziert werden. Dabei zeigt sich: Die 99 in Deutschland aktiven Fonds wickelten knapp zwei Drittel ihrer Übernahmen über Offshore-Standorte ab. Am häufigsten über „Steueroasen“ wie Guernsey und Jersey, die Cayman-Inseln oder den US-Bundesstaat Delaware. Nur 17 Prozent der Fonds hatten ihren rechtlichen Sitz in Deutschland. Das lege nahe, dass „Möglichkeiten der Steueroptimierung und die geringe Transparenz dieser Finanzplätze ein wesentliches Kriterium für die Standortwahl der Fonds darstellen“, schreibt Finanzexperte Scheuplein.

Unternehmen möglichst günstig kaufen und möglichst teuer weiterverkaufen – so sieht das Geschäftsmodell von Private-Equity-Investoren aus. Dabei organisieren Private-Equity-Gesellschaften den Kauf überwiegend durch Fonds, in denen Institutionelle Investoren und vermögende Privatpersonen Geld anlegen. Danach übernehmen sie im Namen dieser Fonds meist die unternehmerische Leitung des gekauften Unternehmens. Da die Fonds meist auf eine Laufzeit von zehn Jahren angelegt sind, bleiben die Engagements der PE-Branche vergleichsweise kurzfristig. Wenn Finanzinvestoren 2016 ein Unternehmen aus Deutschland verkauften, geschah das im Mittel 6 Jahre und 2 Monate, nachdem sie dort eingestiegen waren, wie der Private-Equity-Monitor zeigt. Und in diesem überschaubaren Zeitraum soll eine hohe Rendite erwirtschaftet werden.

Unter den PE-Gesellschaften, die 2016 in Deutschland Unternehmen kauften, waren bekannte Namen wie KKR und Blackstone aus den USA oder Permira aus Großbritannien. Die meisten Übernahmen tätigten nach Scheupleins Auswertung aber die französische Ardian (8 Transaktionen) sowie zwei deutsche PE-Firmen: Auctus Capital Partners (7) und die Deutsche Beteiligungs-AG (6). Zwei Fünftel der Übernahmen fanden im „industriellen Kernsektor“ statt, zu dem Chemie, Elektrotechnik, Fahrzeugbau und Maschinenbau gehören. Einzelunternehmer, Erben oder Familien stellten mit 47 Prozent die größte Gruppe der Inhaber, die an Finanzinvestoren verkauften. 24 Prozent entfielen auf größere kapitalmarktorientierte Unternehmen, die Unternehmensteile abgaben. 20 Prozent gingen von einer PE-Gesellschaft an eine andere.

Firmen werden häufig mit kurzfristigen Zielen übernommen

Der Einstieg eines Finanzinvestors stelle Belegschaft und Vertreter in Betriebs- und Aufsichtsräten zum Teil vor enorme Herausforderungen, beobachten Scheuplein und Wirtschaftsexperte Alexander Sekanina, der die Studie im Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung betreut hat. Die Beteiligungsgesellschaften strebten oft in kurzer Frist hohe Renditen an. Die 99 Fonds, deren Aktivitäten der Forscher 2016 identifizieren konnte, zahlten ihren Anlegern im Durchschnitt eine Verzinsung von 13,8 Prozent. Das laufe nicht selten auf einschneidende Strategiewechsel und Restrukturierungen hinaus. Wenn die neuen Eigentümer sich ins operative Geschäft einmischen, büßten die Geschäftsführungen an Entscheidungskompetenz ein. Den Betriebsräten gehe damit ihr Ansprechpartner verloren, die Mitbestimmung werde ausgehöhlt. „Wenn Unternehmen von Finanzinvestoren mehr oder weniger als bloße Handelsware zur Geldvermehrung gesehen werden, stellt das auch mitbestimmte Aufsichtsräte vor eine fundamentale Frage“, sagt Sekanina: „Wie sollen sie ihrer gesetzlichen Aufgabe nachkommen, das Interesse am Bestand und an der Zukunft von Unternehmen zu wahren, wenn das für Private-Equity-Investoren gar kein vorrangiges Ziel ist? Die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat spielen eine ganz wichtige Rolle dabei, die Aushöhlung übernommener Unternehmen zu verhindern. Allerdings sind ihre Einflussmöglichkeiten oft begrenzt.“

Viele Finanzinvestoren hätten keine spezifischen Branchenkenntnisse und setzten auf standardisierte Strategien wie den Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen, Outsourcing, Arbeitsplatzabbau, Kostensenkung und Verlagerung ins Ausland. Das könne dazu führen, dass die Schwelle für paritätische Mitbestimmung unterschritten wird. Im ersten Quartal 2017 hatten laut Scheuplein 48 Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten eine Private-Equity-Gesellschaft als bestimmenden Eigentümer, davon waren 28 paritätisch mitbestimmt.

Weitere Informationen finden Sie hier.

(Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 11.04.2018)


Redaktion

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