Auch bei der Profitabilität liegen die US-Banken weiterhin vor den europäischen Großbanken – wenngleich der Abstand im vergangenen Jahr schrumpfte: Die Eigenkapitalrentabilität, also die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals, lag 2022 bei den US-Banken bei 11,0 Prozent – nach 15,3 Prozent im Vorjahreszeitraum. Die europäischen Banken verzeichneten hingegen einen Anstieg von 7,9 auf 8,3 Prozent, der Vorsprung der US-Banken schrumpfte somit auf 2,7 Prozentpunkte.
Während in den USA sieben der zehn untersuchten Geldinstitute ein Konzernergebnis von mehr als zehn Milliarden Euro vorweisen konnten, gelang dies in Europa nur zwei Banken: der britischen HSBC und der französischen BNP Paribas. Das bestverdienende Institut unter den zwanzig analysierten Banken war die US-Großbank JPMorgan Chase, deren Konzernergebnis bei umgerechnet 35,3 Milliarden Euro lag.
Das sind Ergebnisse einer EY-Analyse der Bilanzen der jeweils nach Bilanzsumme zehn größten Banken in den Vereinigten Staaten und Europa.
„Die europäischen Großbanken haben sich im vergangenen Jahr unterm Strich erfreulich positiv entwickelt“, urteilt Thomas Griess, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY. „Trotz der Belastungen aus Krieg, Inflation und Energiekrise konnten die Institute von der Zinswende profitieren und ihren Gewinn teils deutlich erhöhen.“
Auch die US-Banken meldeten zwar steigende Zinseinnahmen – bei ihnen spielt aber das Geschäft mit Börsengängen, Übernahmen und Fusionen eine deutlich größere Rolle als bei ihren europäischen Wettbewerbern. Dementsprechend haben sie stärker als die europäischen Banken unter dem Einbruch bei Börsengängen und dem rückläufigen M&A-Geschäft gelitten, so Robert Melnyk, Partner und Leiter Banking & Capital Markets bei EY. Er betont aber: „Die großen US-Banken lassen ihre europäischen Wettbewerber beim Gewinn und der Profitabilität immer noch deutlich hinter sich – auch wenn der Abstand vergangenen Jahr kleiner geworden ist.“
Steigende Risikovorsorge dämpft Gewinnentwicklung
Banken auf beiden Seiten des Atlantiks bereiteten sich auf eine Verschlechterung des konjunkturellen Umfelds vor, die zunehmend Zahlungsausfälle nach sich ziehen dürfte. Dementsprechend stieg bei den untersuchten Banken auch die Risikovorsorge deutlich, was das Gewinnwachstum bei den europäischen Banken begrenzte bzw. zur negativen Gewinnentwicklung bei den US-Banken beitrug.
„Die Großbanken haben Milliardensummen für die Risikovorsorge beiseitegelegt – in Erwartung einer möglicherweise tiefen Wirtschaftskrise“, so Griess. „Aktuell zeichnet sich ab, dass sich die schlimmsten Befürchtungen in Bezug auf die konjunkturelle Entwicklung nicht bewahrheiten werden, so dass zwar mit einem Anstieg notleidender Kredite zu rechnen ist, der sich aber im Rahmen halten dürfte.“
Ausblick: Der Druck bleibt groß
„Bei den europäischen Banken zeigt der Trend derzeit insgesamt nach oben“, fasst Griess zusammen. „Die Gewinnsituation hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, die Widerstandsfähigkeit hat sich – auch dank anspruchsvoller regulatorischer Vorgaben – erhöht.“ Auch im laufenden Jahr dürften die Zinseinnahmen steigen, erwartet Griess: „Das Kreditgeschäft wird profitabler. Zwar werden die Banken insgesamt bei der Kreditvergabe zurückhaltender – die Gewinne im Kreditgeschäft steigen aber.“
Dennoch bleibe viel zu tun, ergänzt Melnyk: „Wir sehen, dass die Banken intensiv an ihrer Kostenstruktur arbeiten und auch versuchen, neue Erlösquellen zu erschließen. Aber bei den Themen Digitalisierung, Technologie und Compliance besteht noch Handlungsbedarf.“
Zudem betont Melnyk, dass die Tatsache, dass derzeit die europäischen Banken in punkto Profitabilität aufholen können, nicht überbewertet werden sollte: „Die schwache Gewinnentwicklung der US-Banken ist nur eine Momentaufnahme. Wenn sich das Klima an den Kapitalmärkten bessert und das M&A- und IPO-Geschäft wieder in Schwung kommt, werden wir aller Voraussicht nach jenseits des Atlantiks wieder deutlich steigende Gewinne sehen. Dann könnte sich der Abstand zu den europäischen Instituten wieder vergrößern.“
Börsenwerte steigen in Europa stärker als in den USA
Auch der Börsenwert der Top Banken dies- und jenseits des Atlantiks spiegelt die relativ gute Entwicklung der europäischen Banken wider: Seit Jahresbeginn bis Anfang März verzeichneten die europäischen Institute insgesamt einen Anstieg um 19 Prozent auf knapp 540 Milliarden Euro.
Der Börsenwert der US-Banken stieg im gleichen Zeitraum hingegen nur um sieben Prozent auf 1,3 Billionen Euro. Die größten US-Banken sind damit an der Börse derzeit mehr als doppelt so viel wert wie die größten europäischen Geldinstitute.
(Pressemitteilung EY vom 08.03.2023)