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11.07.2022

Klartext oder Kauderwelsch? Universität Hohenheim nimmt CEO-Reden 2022 unter der Lupe

Autokonzerne auf der Überholspur

©scandinavianstock/123rf.com

Spitzenmanager im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind etwas unverständlicher als im Vorjahr. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen seit 2012, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30- bzw. DAX-40-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Reden in diesem Jahr 14,3 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20.

Mit Hilfe einer Analyse-Software fahnden Prof. Dr. Brettschneider und sein Team unter anderem nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern. Anhand dieser Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“. Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).

Top-Verständlichkeit bei Continental-Chef Nikolai Setzer

Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex hielt Nikolai Setzer (Continental) mit 20,0 Punkten die formal verständlichste Rede. Auf Platz 2 folgt der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, mit 19,8 Punkten. Auf dem dritten Platz befindet sich Dr. Theodor Weimer: Mit 18,8 Punkten bietet der CEO der Deutschen Börse ebenfalls eine sehr verständliche Rede.

Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeits-Wert von 14,3 Punkten. Das sind 0,6 Punkte weniger als im letzten Jahr (14,9), aber stolze 4,5 Punkte mehr als noch vor 10 Jahren (9,8). Fünf Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Nur drei Reden liegen unter zehn Punkten. Fast alle „Neulinge“ im Vergleich zu 2021 landen in der unteren Hälfte der Verständlichkeits-Rangfolge. Den letzten Platz teilen sich mit jeweils 7,1 Punkten Dominik S. Richter von HelloFresh und Hans Dieter Pötsch von Porsche SE. Insgesamt sind die Reden der neu in das Ranking aufgenommenen Vorstandsvorsitzenden mit 11,3 Punkten deutlich unverständlicher als die Reden der Routiniers, die auf 15,6 Punkte kommen.

Automobil-Branche erneut mit deutlichem Verständlichkeits-Plus

Im Vergleich zu 2021 setzt sich der Analyse zufolge ein Trend fort. Im letzten Jahr gab es bei den drei Automobil-Herstellern VW, Daimler und BMW wesentlich verständlichere Reden als in den Jahren zuvor. Früher wurden ungünstige Botschaften – etwa rund um den Diesel-Skandal – in unverständliche Schachtelsätze gepackt, stellen die Studienautoren fest. 2021 versuchten die CEOs, mit positiven Botschaften rund um die Elektromobilität wieder in die Offensive zu kommen. Und diese Botschaften formulierten sie deutlich verständlicher. Laut der Analyse hat sich dieser Trend – außer bei BMW – auch 2022 fortgesetzt.

Nachdem Dr. Herbert Diess (VW) im letzten Jahr den größten Anstieg bei allen Rednern hatte, legt er auch in diesem Jahr nochmals zu. Die Verständlichkeit seiner Rede stieg um 2,2 Punkte auf 15,3 Punkte. Auch Ola Källenius (Mercedes-Benz Group) hatte im letzten Jahr zugelegt und steigert in diesem Jahr die Verständlichkeit seiner Rede nochmals um 1,4 Punkte. Mit 18,4 Punkten liegt er nun auf Platz 4. Lediglich bei Oliver Zipse (BMW) gibt es nach dem Anstieg im letzten Jahr einen Rückgang der Verständlichkeit in diesem Jahr um einen Punkt auf 17,7 Punkte.

Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme werden seltener

Nach Aussage der Studienautoren nutzen die Vorstandsvorsitzenden die Hauptversammlung für Reden, die auch für eine breitere Öffentlichkeit verständlich sind. Viele Vortragenden würden sich bemühen, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch Laien den Inhalt der Rede verstehen. Für den Auf- und Ausbau von Reputation sei dies sinnvoll.

Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit einiger Reden. Laut der Analyse werden überlange Sätze aber seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme.

Neulinge sind weniger verständlich als Routiniers

Die Vorstandsvorsitzenden greifen immer seltener auf komplizierte Fachausdrücke zurück, die höchstens die Fachleute im Publikum verstehen. Vor allem Anglizismen und Ausdrücke wie „Digital Car Tech Stack“ (Zipse, BMW), „Remote Software Updates ‚over-the-air‘“ (Zipse, BMW), „ready-to-eat-Angebot“ (Richter, HelloFresh) und „cross-domain-HPC” (Setzer, Continental) kommen inzwischen insgesamt vergleichsweise selten vor. Sie könnten allerdings vermieden, näher erläutert oder durch Alternativen ersetzt werden. Positiv fällt auf, dass die Vortragenden immer häufiger schwierige Begriffe erklären.

So erläutert Daimler Truck-Chef Martin Daum beispielsweise den Begriff „autonomous-ready“: „Die Lkw sind damit bereit für den Einbau der Hard- und Softwaresysteme für das autonome Fahren. Wir nennen das ‚autonomous-ready‘.“ Und die Vorstandsvorsitzende von Merck, Belén Garijo, erklärt, was unter „Single-Use Assemblies“ zu verstehen ist. Zu erläutern, was ‚ESG-Ziele‘ sind oder was die ‚Cash Conversion Rate‘ ist, mag nicht für alle im Publikum notwendig sein, erklären die Studienautoren, dadurch steige aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch Personen mit weniger Vorkenntnissen das verstehen, was der Redner oder die Rednerin meint.

Weitere Beispiele für komplizierte und/oder zusammengesetzte Wörter:

  • Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Porsche, Pötsch)
  • Lithium-Ionen-Batteriematerialien (BASF, Brudermüller)
  • Hightech-Maschinenbau-Unternehmen (Daimler Truck, Daum)
  • Spezial-Erstversicherungsgeschäft (Hannover Rück, Henchoz)
  • Nachhaltigkeits-Performance-Index (Vonovia, Buch)
  • Hochspannungs-Gleichstromprojekt (Siemens Energy, Bruch)
  • Photon-Counting-Technologie (Siemens Healthineers, Montag)
  • Biomassenbilanz-Verfahren (BASF, Brudermüller)
  • 360-Grad-Feedback-Programm (Henkel, Knobel)
  • Carve-out-Effekte (Contintental, Setzer)
  • Dividendenausschüttungsquote (Symrise, Bertram)
  • Kapitalanlageexposure (Münchener Rück, Wenning)

Klartext überzeugt und erzeugt Vertrauen

Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betonen die Studienautoren. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil. Dennoch sollten Vortragende nicht vergessen, dass Formal verständliche Botschaften von den Zuhörenden besser verstanden und erinnert werden. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche.

Daher sollte man laut der Studienautoren einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten: kurze Sätze, gebräuchliche Begriffe, Fachbegriffe übersetzen und zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. Denn nur wer verstanden werde, könne auch überzeugen.

Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe der Verständlichkeits-Software „TextLab“. Die Software wurde von der Ulmer Agentur H&H CommunicationLab und von der Universität Hohenheim entwickelt. Sie berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).

Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen. Er bildet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) ab. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Hörfunk-Nachrichten kommen im Schnitt auf 16,4 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.

Die Studie zum „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ finden Sie hier.

(Pressemitteilung Universität Hohenheim vom 09.07.2022)


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