Schon in der bundesweiten IHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn hätten 84% der deutschen Industriebetriebe mittlere bis erhebliche Lieferschwierigkeiten gemeldet, teilte der DIHK mit. Damit sei bereits vor Kriegsausbruch eine deutliche Mehrheit der Unternehmen mit Problemen in ihren Lieferketten konfrontiert gewesen.
Sechs von zehn Unternehmen verzeichnen zusätzliche Störungen
Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange: Inzwischen klagen viele Unternehmen über eine starke Zunahme der Probleme. Ein erster Trend aus einer aktuell laufenden DIHK-Blitzbefragung zu den wirtschaftlichen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine zeigt: Rund 60% der Unternehmen melden zusätzliche Störungen in der Lieferkette und Logistik als Folge des Krieges.
Bereits zu Jahresbeginn hätten lediglich 10% der Betriebe mit einem baldigen Ende der Lieferketten-Probleme gerechnet, so der DIHK. Inzwischen dürften es noch weniger sein.
Von zwei Seiten unter Druck
Insbesondere für Deutschlands mittelständische Industriebetriebe spitzt sich die aktuelle Lage wegen der anhaltenden Engpässe teilweise dramatisch zu: Diese Unternehmen stehen derzeit von zwei Seiten unter Druck: Sie bekommen selbst weniger Vorprodukte oder – wie vor allem bei Energie – nur zu sehr hohen Preisen. Zugleich können sie die Kostensteigerungen nur teilweise an ihre Kunden weitergeben und selbst wegen der Verzögerungen in der eigenen Lieferkette immer schlechter liefern, so die Dachorganisation der 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland. Hier seien auch viele Unternehmen dabei, deren deutsche Spezialprodukte in den weltweiten Lieferketten eine oft entscheidende Rolle spielen, denn es gebe kaum Autos, Smartphones oder Maschinen, die ohne in Deutschland produzierte Schlüsselkomponenten funktionieren. Deshalb müssten Wirtschaft und Politik die massiven Störungen der Lieferketten gemeinsam in den Griff bekommen.
Großer Rückhalt für harte Sanktionen
Laut der DIHK-Umfrage ist selbst unter den Unternehmen, die erhebliche finanzielle Einbrüche durch die gegen Russland verhängten Sanktionen verzeichnen, der Rückhalt für die harten Maßnahmen groß. Es sei für viele einfach unerträglich, in einem Land Geschäfte zu machen, von dessen Boden ein solcher Angriffskrieg ausgehe.
Protektionismus wächst rund um den Globus weiter
Der DIHK wiesen darauf hin, dass deutschen Unternehmen weltweit immer mehr Handelshürden und Protektionismus begegneten. Das habe sich im Zuge der Corona-Pandemie verstärkt und sei eine bedenkliche Entwicklung. Denn wir verlieren dadurch immer mehr Vorteile der internationalen Arbeitsteilung, stellt die IHK-Dachorganisation fest. Auch wegen grundsätzlicher Bedenken in Deutschland und der EU blieben selbst ausverhandelte Handelsabkommen wie das mit Mercosur weiterhin in der Schwebe. Für mittelständische Betriebe wäre es gerade in diesen Zeiten ein Befreiungsschlag, wenn die EU bei den Handelsabkommen im Indopazifik und Südamerika spürbar vorankäme, erklärt der DIHK. Auch sollten Handelsschutzmaßnahmen, die wichtige Importe übermäßig verteuern, gerade jetzt in Zeiten erhöhter Inflation besonders kritisch hinterfragt werden. Vielleicht sei die Krise auch eine Chance, hier bessere Ergebnisse auf Augenhöhe zu erzielen.
Den aktuellen DIHK-Lieferkettenbericht finden Sie hier.