Finanzverantwortliche großer Unternehmen greifen das Thema Sustainable Finance aktiv auf. Sie tauschen sich dazu intensiv mit ihren Stakeholdern aus und passen die Finanzierungsstrategie an. Reporting-Aufwand und Bürokratie bei nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten halten aber noch viele Unternehmen davon ab, diese zu nutzen.
Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Aktieninstituts und der Börse Stuttgart.
„Der Markt für grüne Finanzierung boomt. Viele Unternehmen nutzen für ihre Investitionen in umwelt- und klimafreundliche Technologien bereits grüne Finanzierungsinstrumente. Allerdings sind die Anforderungen an die Unternehmen hoch, wenn solche Instrumente zum Einsatz kommen sollen“, so Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. „Unsere Studie zeigt, wo der Schuh bei Sustainable Finance in der Unternehmensfinanzierung drückt. Wir brauchen jetzt die richtigen politischen Impulse, um Sustainable Finance in Deutschland praxisorientierter zu gestalten“, fordert Bortenlänger.
„Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen in der Unternehmensfinanzierung kontinuierlich an Bedeutung, Investoren fordern sie zunehmend ein oder machen sie gar zur Voraussetzung. Noch fehlen aber marktweite Kriterien, die Finanzinstrumente klar als nachhaltig einordnen, Orientierung geben und Vergleichbarkeit herstellen. Hier ist die Politik gefordert, einheitliche und verlässliche Standards zu etablieren und so die Transparenz für Unternehmen und Anleger zu erhöhen“, sagt Dr. Michael Völter, Vorsitzender des Vorstands der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V.
Die Studie „Unternehmensfinanzierung im Zeichen der Nachhaltigkeit – Was ESG für Finanzverantwortliche in der Praxis bedeutet“ liefert wichtige Erkenntnisse, wie große Unternehmen in Deutschland mit nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten umgehen. Basierend auf einer Umfrage unter Finanzverantwortlichen gibt sie einen tiefen Einblick, wie Finanzabteilungen Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Arbeit einbinden.
Nachhaltigkeit ist in den Finanzabteilungen angekommen
95 Prozent der Unternehmen sind mit Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensfinanzierung in Berührung gekommen. CFOs und Treasury-Abteilungen greifen das Thema aktiv auf und setzen es auf ihre Agenda. Aber auch externe Impulsgeber wie Banken, Ratingagenturen oder Investoren tragen das Thema an die Treasury-Abteilungen heran. Im Austausch mit Investoren dominiert unter den Nachhaltigkeitsthemen vor allem der Aspekt Umwelt, dicht gefolgt von guter Unternehmensführung.
Dies bedeutet aber nicht, dass klassische Themen wie die Vermögens- oder Ertragslage der Unternehmen in den Hintergrund treten. 58 Prozent der CFOs und Treasury-Abteilungen geben an, dass bei Gesprächen mit Investoren die klassischen Finanzthemen und Kennzahlen weiterhin im Vordergrund stehen.
Pro und Contra nachhaltige Finanzierungsinstrumente
Unternehmen, die nachhaltige Finanzierungsinstrumente nutzen, tun dies vor allem wegen der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Sie sind von der Sinnhaftigkeit dieser Instrumente überzeugt und nutzen sie, obwohl neun von zehn Finanzverantwortlichen angeben, dass die Reporting-Prozesse aufwendiger sind als bei der traditionellen Finanzierung.
Unternehmen, die bisher noch kein nachhaltiges Finanzierungsinstrument genutzt haben, geben zusätzliche Kosten und aufwendigere Prozesse als Haupthindernis an. Sie betonen außerdem die Notwendigkeit messbarer Kostenvorteile nachhaltiger Finanzierungen für die Entscheidungsfindung.
ESG-Regulierung muss praxisnäher werden
Die Studie zeigt auch, wie die Regulierung nachhaltige Finanzierung beeinflusst. Mehr als zwei Drittel der Finanzverantwortlichen wünschen sich, dass der Dokumentationsaufwand bei nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten verringert wird. Fast 90 Prozent fordern, dass Finanzinstrumente auch dann als nachhaltig qualifiziert werden, wenn sie auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abstellen.
„Die vielen bürokratischen Vorgaben machen die Nutzung nachhaltiger Finanzierungsinstrumente häufig unattraktiv. Schwer erfüllbare oder nicht kohärente Anforderungen schrecken ab. Hier muss die Politik handeln, um die Transformationsanstrengungen der Wirtschaft zu unterstützen“, fordert Bortenlänger.
„Unternehmen sollten nachhaltige Finanzierung auch als Stärkung ihrer Zukunftsfähigkeit verstehen. Denn es ist absehbar, dass Kunden, Partner sowie Regulatoren in Deutschland und Europa künftig immer größeren Wert auf Nachhaltigkeitskriterien legen werden,“ so Völter.
(Pressemitteilung Börse Stuttgart vom 27.04.2021)