Die geopolitische Situation und die zunehmend fragileren Handelsbeziehungen fordern aktuell besonders exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen heraus. „Zugleich bietet der expandierende Verteidigungsbereich aber auch Chancen für Unternehmen, die bereit sind, ihr Geschäftsmodell entsprechend zu verändern. Aufgrund ihrer flachen Hierarchieebenen können kleine und mittlere Unternehmen dabei deutlich flexibler als Großunternehmen agieren, was sich wiederum auf ihre Innovativität auswirkt“, erklärte Dr. Dr. h.c. Friederike Welter am 29.10.2025 im Rahmen des International Roundtable on SMEs. Rund 20 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutierten mit internationalen Entrepreneurshipforscherinnen und -forschern über die aktuelle Situation im europäischen Mittelstand.
Verteidigung als Innovationsmotor
Wie sich Wirtschaftsbereiche unter extremem geopolitischem Druck technologisch schnell verändern können, zeigt nach Untersuchungen von Professor Pontus Braunerhjelm und Dr. Maryna Brychko (Royal Institute of Technology Karlskrona/Schweden) die ukrainische Drohnenindustrie: „Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellten die technische Ausbildung und die kompetenten IT-Fachkräfte eine wesentliche Stärke des Landes dar. Durch den Krieg sind weitere wichtige Faktoren dazu gekommen, die zur schnellen Entwicklung der Drohnenindustrie beigetragen haben: die Mobilisierung der Zivilbevölkerung, beschleunigte Regierungsreformen, gezielte Beschaffungsanreize, erzwungene Kapitalbindung und ausländische Partnerschaften, die den Technologietransfer erleichtert haben“, berichteten die beiden Wissenschaftler. Dadurch sei ein dezentrales Innovationsökosystem entstanden, das eine effiziente Brücke zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich schlägt.
Politische Rahmenbedingungen als Schlüssel
Um auch in Deutschland vergleichbare Innovationskraft zu ermöglichen, fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine koordinierte Außen-, Handels- und Industriepolitik. Nur so könne die Wirtschaft technologischen Wandel aktiv mitgestalten und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern. Der BDI mahnt konkrete Maßnahmen an, die Planungssicherheit und Investitionen fördern – Ankündigungen allein reichten nicht aus, so Cedric von der Hellen.
Dual-Use und europäische Initiativen
Auf EU-Ebene soll die „SME Connect Defence Working Group“ KMU gezielt beim Einstieg in Verteidigungslieferketten unterstützen. Im Fokus stehen sogenannte Dual-Use-Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Laut Markus Becker bieten gerade automatisierte Logistiklösungen und digitale Lieferkettenstrukturen eine „Überholspur“, um zivile Innovationen auf Verteidigungsniveau zu skalieren.
Familienunternehmen setzen auf Resilienz
Unabhängig von politischen Weichenstellungen agieren viele Familienunternehmen proaktiv. Professor Alfredo De Massis hob hervor, wie diese Unternehmen in Krisenzeiten komplexe Vermögenswerte reorganisieren, Netzwerke aktivieren und damit nicht nur ihre Liquidität sichern, sondern auch neue Wachstumsstrategien entwickeln. Die Politik könne diesen unternehmerischen Pragmatismus durch sektorübergreifende Allianzen sinnvoll flankieren.
Strategische Unabhängigkeit neu denken
Zunehmende Spannungen mit China zwingen zum Umdenken in der Standortwahl. Achim Haug von Germany Trade & Invest stellte alternative Produktionsstandorte in Ostasien vor, um die Abhängigkeit zu reduzieren. Gleichzeitig betonte Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft, dass Deutschland seine Stärken als Exportnation gezielt strategisch nutzen müsse – etwa durch kluge Allianzen innerhalb der EU und der G7, um globalen Einfluss zu wahren.
(IfM Bonn vom 30.10.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)

