Der weltweite IPO-Markt präsentierte sich auch im dritten Quartal in guter Verfassung: Insgesamt wagten zwischen Juli und September weltweit 547 Unternehmen den Sprung aufs Parkett – 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Emissionsvolumen stieg um elf Prozent auf 106 Milliarden US-Dollar.
Das stärkste Wachstum wurde wie schon im Vorquartal in Europa registriert: Im Vergleich zum dritten Quartal 2020 hat sich die Zahl der Börsengänge an europäischen Börsen von 37 auf 85 mehr als verdoppelt, das Emissionsvolumen stieg von 6,3 auf 11,6 Milliarden US-Dollar (plus 83 Prozent).
Die meisten Börsengänge wurden zwar erneut in China (einschließlich Hongkong) registriert, dort entwickelte sich das IPO Geschehen aber schwächer als im sehr starken Vorjahr: Im Reich der Mitte wagten im dritten Quartal 151 Unternehmen den Schritt an die Börse, das waren 30 Prozent weniger als im Vorjahr. Das Emissionsvolumen sank um 28 Prozent auf 33,8 Milliarden US-Dollar.
In den USA entwickelte sich das IPO-Geschehen uneinheitlich: Zwar stieg die Zahl der Börsengänge um 25 Prozent auf 105, das Emissionsvolumen schrumpfte aber um vier Prozent auf 32,2 Milliarden US-Dollar.
Das sind Ergebnisse des aktuellen IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young).
„Das dritte Quartal war geprägt vom anhaltenden konjunkturellen Aufschwung, positiven Unternehmensnachrichten, hohen Bewertungen und einer relativ niedrigen Volatilität – und bot damit gute Rahmenbedingungen für Börsendebüts. Erst zum Ende des Quartals hin kam es von China ausgehend zu einer Trübung des Sentiments und einer gewissen Unruhe am Markt“, sagt Dr. Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY.
Der deutsche Markt habe sich bislang gut entwickelt, so Steinbach: „Im bisherigen Jahresverlauf verzeichneten wir in Deutschland das höchste Emissionsvolumen seit 20 Jahren – und weitere Börsenkandidaten sind in der Pipeline. 2021 ist schon jetzt ein sehr erfolgreiches IPO-Jahr, und nach wie vor ist sehr viel Liquidität im Markt, die im Niedrigzinsumfeld nach attraktiver Anlage sucht. Je mehr die Wirtschaft lernt, mit der Pandemie umzugehen, desto geringer werden zudem die mit Corona verbundenen Risiken gewichtet.“
Im dritten Quartal zogen erneut vor allem Tech-Unternehmen das Interesse der Investoren auf sich: Knapp jeder vierte Börsengang weltweit (24 Prozent) und 25 Prozent des gesamten Emissionsvolumens entfielen auf Technologieunternehmen. Unternehmen aus der Gesundheitsbranche stehen für 18 Prozent aller Neuemissionen und 14 Prozent des eingesammelten Kapitals. „Investoren favorisieren weiterhin den Technologiesektor – Unternehmen mit einem digitalen Geschäftsmodell stoßen derzeit auf ein relativ großes Interesse und können eine vielversprechende Equity Story vorweisen. Die Pandemie hat bestehende Digitalisierungstrends massiv beschleunigt und den Tech-Boom noch verstärkt“, beobachtet Steinbach.
Starkes Jahr am Primärmarkt Deutschland
Mit insgesamt 22 Börsengängen operativer Unternehmen und 3 SPAC-Emissionen ergibt sich in Deutschland für den bisherigen Jahresverlauf eine positive Bilanz.
Die IPOs von Vantage Towers AG, AUTO1 Group SE, SUSE S.A., ABOUT YOU Holding AG, SYNLAB AG, Cherry AG, Friedrich Vorwerk Group SE, Mister Spex SE, BIKE24 Holding AG, HomeToGo SE, Novem Group, hGears AG, KATEK SE, APONTIS PHARMA AG, Linus Digital Finance AG, Vitesco Technologies Group AG und International School Augsburg verzeichneten insgesamt ein Emissionsvolumen von über 8,2 Milliarden Euro.
Fünf deutsche Unternehmen zog es zudem an ausländische Börsen: Mit einem Emissionsvolumen von insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar entschieden sich Atotech, ATAI Life Sciences und MYTHERESA für einen Börsengang in den USA sowie Pyrum Innovations AG und VOQUZ Labs AG für einen Börsengang an der Euronext in Oslo bzw. an der Wiener Börse.
Die größte Transaktion in Deutschland war der Börsengang des Funkmastenbetreibers Vantage Towers, der im März 2,2 Milliarden Euro erlöste, gefolgt vom Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1, der bei seiner Erstnotiz im Februar 1,8 Milliarden Euro erzielte. Die drittgrößte Transaktion war der Börsengang des Softwareanbieters SUSE mit einem Volumen von knapp 1,1 Milliarden Euro.
Zudem kamen bisher drei SPAC Emissionen in den deutschen Markt: 468 SPAC I SE, Lakestar SPAC I SE, OboTech Acquisition SE sammelten zusammen 750 Millionen Euro ein. Mit dem Zusammenschluss von Lakestar SPAC I und HomeToGo konnte der erste indirekte Börsengang eines operativen Unternehmens verzeichnet werden.
„Die IPO-Aktivität deutscher Unternehmen hat sich auch im dritten Quartal mit den fünf Börsengängen von Mister Spex, Novem, Vitesco, VOQUZ Labs und Pyrum Innovations positiv entwickelt. Für das vierte Quartal stehen einige Börsenaspiranten in den Startlöchern, so dass wir insgesamt auf bis zu 25 Börsenneulingen kommen könnten“, sagt Steinbach. „2021 wird damit in jedem Fall ein sehr starker IPO-Jahrgang. Mit einem Emissionsvolumen von aktuell 11,6 Milliarden US-Dollar bei Börsengängen deutscher Unternehmen im In- und Ausland ist 2021 jetzt schon das stärkste IPO-Jahr seit 20 Jahren. Und das Interesse potenzieller Kandidaten ist nach wie vor groß, so dass auch 2022 spannend werden dürfte.“
Weltweit 468 SPAC-Emissionen
Im laufenden Jahr wurden weltweit insgesamt 468 SPAC-Transaktionen gezählt, mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum, als zwischen Januar und August 119 SPAC-Emissionen registriert wurden. 304 dieser Mantelgesellschaften wurden im ersten Quartal dieses Jahres erstmals gelistet und erzielten ein Emissionsvolumen von 98,5 Milliarden US-Dollar. Im zweiten Quartal gab es 75 derartige Transaktionen mit einem Volumen von 15,9 Milliarden US-Dollar, im dritten Quartal waren es 89.
Von den 468 SPAC-Transaktionen im laufenden Jahr entfielen 437 (93 Prozent) auf die USA, während in Europa 31 derartige Emissionen verzeichnet wurden. „SPACs sind vor allem ein US-Phänomen, aber wir beobachten auch in Europa ein großes Interesse. Die Zahl der SPAC-Emissionen in Europa stieg immerhin von sechs im Gesamtjahr 2020 auf 31 in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres“, sagt Steinbach. Er rechnet daher mit einer steigenden Zahl indirekter Börsengänge im kommenden Jahr: „Die Kassen der SPACs sind prall gefüllt – das eröffnet interessierten Unternehmen einen vielversprechenden zusätzlichen Weg aufs Parkett – ob in Europa oder den USA.“
Die größten Börsengänge in China
Der größte Börsengang des bisherigen Jahresverlaufs fand an der Shanghaier Börse statt: Der Telekommunikationsanbieter China Telecom erlöste 7,3 Milliarden US-Dollar. An zweiter Stelle rangiert die Erstnotiz der Kurzvideoplattform Kuaishou Technology mit einem Emissionsvolumen von 6,2 Milliarden US-Dollar. Dahinter folgt der südkoreanische Onlinehändler Coupang mit einem Emissionsvolumen von 4,6 Milliarden US-Dollar.
Der Vantage Towers-Börsengang belegt im weltweiten Ranking der größten IPOs des Jahres derzeit den elften Rang und ist die zweitgrößte Transaktion in Europa – hinter dem Börsengang der polnischen InPost.
(Pressemitteilung EY vom 28.09.2021)