Die Rahmenbedingungen bleiben den Studienautoren zufolge außerordentlich schwierig, denn die Lieferketten sind weiterhin unter Druck, die Material- und Energiepreise steigen, der Krieg in der Ukraine führt zu erheblicher Verunsicherung und hemmt Investitionen. Bislang konnten Deutschlands Top-Konzerne die Auswirkungen dieser verschiedenen Krisen bemerkenswert gut abfedern – viele haben das beste erste Quartal ihrer Geschichte abgeschlossen und sich als sehr widerstandsfähig erwiesen, so die EY-Auswertung. Diese guten Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Wirtschaft verwundbar sei und große Anstrengungen unternehmen müsse, um sich angesichts der tektonischen Verschiebungen in der geopolitischen Landschaft neu aufzustellen, warnen die Studienautoren.
Risiken für die Wirtschaft sind weiter gestiegen
Durch die Zuspitzung der geopolitischen Konfrontation und den Umbruch in der Energie- und Rohstoffversorgung seien die Risiken für die Wirtschaft weiter gestiegen, so die Analyse. Der Industriestandort Deutschland stehe vor der großen Herausforderung, bei der Umschichtung von Gas- und Öllieferung folgenschwere Konsequenzen für die Industrie zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund sei es derzeit extrem schwierig, Prognosen über die weitere konjunkturelle Entwicklung abzugeben. Die Unternehmen fahren auf Sicht und versuchen, sich bestmöglich für alle Szenarien zu wappnen, so die Einschätzung der Autoren. Zuletzt hätten sich die Konjunkturerwartungen deutlich eingetrübt – auch wegen der stark gestiegenen Inflation und der strikten Lockdown-Maßnahmen in China.
Gewinn klettert um ein Fünftel
Die Risiken haben zugenommen, stellt die Analyse fest. Bislang sei es der Mehrzahl der Unternehmen aber gut gelungen, durch diese schwierigen Zeiten zu navigieren – auch weil sie bislang die richtigen Antworten gefunden haben: Lieferketten wurden umgestellt, gestiegene Preise konnten an die Kunden weitergegeben werden, der Produktmix wurde vielfach umgestellt und an die neuen Gegebenheiten angepasst.
US-Markt treibt Umsatzwachstum der deutschen Konzerne
Absehbar sei allerdings, dass die neue geopolitische Situation langfristig erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben werde, so Meyer: “Die deutschen Unternehmen profitieren derzeit noch von ihrer internationalen Aufstellung. Ihre starke Präsenz in allen großen Märkten weltweit hat sich bei vielen Krisen als Segen erwiesen – so konnten Rückgänge in einzelnen Märkten durch Wachstum in anderen Ländern kompensiert werden.“
Größte Umsatzzuwächse in den USA
Derzeit profitieren die deutschen Unternehmen vor allem von der guten Entwicklung in den Vereinigten Staaten. In Nordamerika stiegen die Umsätze in Summe um 19%. „Die Nachfrage hat sich in den Vereinigten Staaten zuletzt sehr stark entwickelt – viele deutsche Unternehmen investieren derzeit auf dem amerikanischen Markt, um an dieser Dynamik partizipieren können“, sagt Meyer.
Im vergangenen Jahr war noch Asien der Umsatzmotor der deutschen Unternehmen gewesen – im ersten Quartal hingegen lag das Umsatzplus in Asien nur noch bei 8%. Die harten Lockdown-Maßnahmen in China erweisen sich der Analyse zufolge zunehmend als Problem für die gesamte Weltwirtschaft. Die Auswirkungen dieser Lockdowns werden wir noch zu spüren bekommen, so die Prognose der Studienautoren. Es sei durchaus möglich, dass es in den kommenden Monaten auch für die deutschen Top-Unternehmen noch knüppeldick komme. Denn die Auswirkungen der gestiegenen Energie- und Nahrungskosten machen sich zunehmend beim privaten Konsum bemerkbar. Zudem sinke die Kaufkraft in den USA durch den rasanten Anstieg der Zinsen.
Der Gesamtumsatz der DAX-Unternehmen stieg im ersten Quartal um 14%
Die gewinnstärksten Unternehmen waren im ersten Quartal die deutschen Autokonzerne, die Deutsche Telekom und Bayer. Bei der Beschäftigung reichte es in Summe immerhin für ein Plus von 2,7% – das allerdings in erster Linie auf Zukäufe zurückzuführen ist. Sechs Unternehmen meldeten eine niedrigere Beschäftigtenzahl als im Vorjahr.
Steigerung der Effizienz durch Flexibilisierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen
Die Zahl der Mitarbeitenden steigt längst nicht so stark wie der Umsatz, stellen die Studienautoren fest. Dies zeige, dass die Bemühungen der Unternehmen um eine Steigerung ihrer Effizienz vorankommen – viele Firmen haben in den vergangenen Jahren umfassende Flexibilisierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen durchgeführt. Letztlich profitieren die Beschäftigten vom Erfolg dieser Maßnahmen. Denn mit der Profitabilität und der Agilität der Unternehmen steigt auch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen. Zudem zeige sich immer stärker, dass auch das Angebot an Mitarbeitenden begrenzt ist – der Fachkräftemangel limitiert zunehmend das Wachstum der DAX-Konzerne. Das heißt: Große Sprünge sind bei der Beschäftigtenzahl in Zukunft unwahrscheinlich, so die Prognose der Studienautoren.
(Pressemitteilung EY vom 17.05.2022)