Die COVID-19-Krise hat tiefe Spuren im Working Capital Management hinterlassen: Während die Umsätze von Unternehmen aus der DACH-Region und den Benelux-Ländern im zweiten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal um durchschnittlich 16 Prozent einbrachen, ging das im Unternehmen gebundene Kapital in diesem Zeitraum nur um 5 Prozent zurück. Gleichzeitig stieg die Kapitalbindungsdauer auf 60 Tage an (plus 8 Tage).
Zu diesen Ergebnissen kommt eine PwC-Studie, die das Working Capital Management von 658 Unternehmen aus der DACH- und Benelux-Region analysiert.
„Die Corona-Pandemie hat sich als Stresstest für das Working Capital Management und als Katalysator für die Anpassung der Cash-Prozesse entpuppt“, kommentiert Rob Kortman, Leiter Working Capital Management bei PwC Deutschland. Aus seiner Sicht hat die Optimierung des operativen Working Capitals aktuell höchste Priorität.
Umsätze stärker rückläufig als das gebundene Kapital
Die PwC-Analyse belegt, dass dieser Fokus auf Cash dringend notwendig ist: Denn die Pandemie hat signifikante Auswirkungen auf Umsatz, operatives Working Capital und Kapitalbindungsdauer der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie den Benelux-Ländern. So sind die Umsätze der analysierten Unternehmen zwischen dem zweiten Quartal in 2019 und dem zweiten Quartal in 2020 um 16 Prozent zurückgegangen. Das in den Unternehmen gebundene Kapital ist im gleichen Zeitraum jedoch nur um rund 5 Prozent gesunken – von 518 Milliarden Euro im zweiten Quartal 2019 auf 494 Milliarden Euro im zweiten Quartal von 2020. Gleichzeitig ist die Kapitalbindungsdauer signifikant gestiegen – um 8 Tage (von 52 auf 60 Tage).
Volle Lager: Bestandsreichweite steigt um neun Tage
Auch auf die wichtigsten Kennziffern des Working Capital Managements hat sich die COVID-19-Krise spürbar ausgewirkt. Am stärksten ist der Effekt bei der Bestandsreichweite: Der Zeitraum zwischen Wareneingang und Entnahme (Days Inventory On-Hand, DIO) ist um rund 9 Tage gestiegen und lag im zweiten Quartal 2020 bei 81 Tagen.
„Am Anfang der Pandemie überwog die Sorge um die Verfügbarkeit der Waren. Die Unternehmen fokussierten sich darauf, Materialien zu beschaffen und ihre Lager zu füllen, um die Nachfrage bedienen zu können. In vielen Branchen lag die Nachfrage dann jedoch unter dem erwarteten Niveau. Die Folgen waren überfüllte Lager“, sagt Rob Kortman.
Zahlungsbereitschaft hat sich verschlechtert
Auch die Zahlungsmoral hat sich im Zuge der Krise verschlechtert: So stieg die Forderungsreichweite (Days Sales Outstanding, DSO), also die Spanne zwischen Bestelldatum und Zahlungseingang, zwischen dem zweiten Quartal von 2019 und dem zweiten Quartal von 2020 um 4 Tage und lag bei rund 53 Tagen. „Die Krise hat sich negativ auf das Zahlungsverhalten der Kunden ausgewirkt. Unternehmen berichten, dass sie länger auf ihr Geld warten müssen. Gleichzeitig steigt nun das Risiko für Insolvenzen, sobald die staatlichen Unterstützungsleistungen auslaufen“, warnt Rob Kortman.
Analog dazu ist aber auch die Verbindlichkeitsreichweite (Days Payables Outstanding, DPO), also die Periode zwischen Rechnungsdatum und Bezahlung, in diesem Zeitraum um 5,5 Tage gestiegen – und liegt im Schnitt bei knapp 74 Tagen.
Große Unterschiede je nach Branche
Die Auswirkungen der Pandemie auf das Working Capital Management der Unternehmen variieren dabei stark nach Branche: In 16 der 20 untersuchten Industrien hat sich der Cash Conversion Cycle, also die Geldumschlagsdauer, verschlechtert. Besonders schwach schneidet die Raumfahrt-, Verteidigungs- und Sicherheitsbranche ab: In diesem Sektor stieg die Kapitalbindungsdauer um 176 Tage. Bei Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern waren es plus 48 Tage. Andere Sektoren, etwa die Medien- und Unterhaltungsbranche oder die Lebensmittelindustrie, die ihre Umsätze signifikant steigern konnten, verzeichneten nur leichte Verschiebungen bei den Kennzahlen zum Working Capital Management.
Digitale Technologien helfen beim Aufbau von Resilienz
Bei der Aufgabe, das Working Capital Management resilienter und anpassungsfähiger zu gestalten, spielen aus Sicht des Experten digitale Technologien eine zentrale Rolle: „Einsichten aus digitalen Analysen sorgen für hohe Transparenz in der Lieferkette und helfen dabei, Abhängigkeiten schnell zu erkennen. Das ist ein wichtiger Schlüssel, um operative und finanzielle Schwächen zu beseitigen und die Resilienz gegenüber den aktuellen und künftigen Verwerfungen zu erhöhen.“
(Pressemitteilung PwC vom 22.02.2021)