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31.01.2023

Weibliche Tech-Talentlücke: Nur 22% aller europäischen Tech-Jobs von Frauen besetzt

Ein höherer Frauenanteil in Tech-Jobs kann eine Lösung zur Stärkung der Innovationsfähigkeit Europas sein. Denn: In Europa fehlen bis 2027 zwischen 1,4-3,9 Millionen Arbeitskräfte im Technologieumfeld, in Deutschland alleine 780.000. Die steigende Nachfrage nach europäischen Talenten im Technologiebereich kann durch den heutigen, überwiegend von Männern geprägte Talentpool nicht gedeckt werden. Gelingt es den 27 EU-Mitgliedsstaaten jedoch, den Frauenanteil in Tech-Rollen von heute 22% auf bis zu 45% in 2027 zu verdoppeln - geschätzt 3,9 Mio. zusätzliche Frauen in Tech-Rollen - könnte Europas BIP um 260 bis 600 Mrd. € steigen. Dies geht aus der McKinsey & Company-Studie „Women in tech: The best bet to solve Europe's talent shortage“ hervor.

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© contrastwerkstatt / fotolia.com

Der Mangel an Geschlechterdiversität in Europas Technologielandschaft führt zu erheblichen Nachteilen für Beschäftigte, Innovation und die gesamte europäische Gesellschaft, stellen die Studienautoren fest. Etwas positiver sieht das Bild in Technologieunternehmen aus. Doch mit einem Frauenanteil von 37% ist die Geschlechterdiversität auch in der europäischen Tech-Branche hinweg deutlich zu gering. Zumal sich der Frauenanteil hier über alle Unternehmensrollen erstreckt.

Zahl der MINT-Absolventinnen stagniert

Das Problem könnte sich zukünftig weiter verschärfen. Seit 2016 stagniert die Zahl der MINT-Absolventinnen. So lag etwa der Anteil der Bachelor-Absolventinnen in MINT-Fächern in 2016 bei 33% und ist bis 2020 auf 32% gesunken. Zudem finden sich in Berufen oder Bereichen mit klarem Technologieprofil (z.B. Cloud oder DevOps), schnellem Wachstum und einem hohen Bedarf an Technologietalenten die wenigsten Frauen. Ohne Gegenmaßnahmen droht der Anteil von Frauen in den Technologiesegmenten in Europa bis 2027 auf 21% zu sinken.

Um zu ermitteln, an welchen Stellen Frauen aus dem Tech-Talentpool fallen, hat die Studie sowohl den Bildungsbereich – schulische wie universitäre Ausbildung – als auch die Erwerbsbevölkerung in der EU untersucht. Hierfür wurden Daten aus zwei Hauptquellen herangezogen: Einer Analyse von Daten zur schulischen und akademischen Bildung der EU-27-Mitgliedstaaten sowie einem Datensatz von Eightfold.AI, einer KI-Plattform für Talententwicklung. Letzterer umfasst mehr als 60 Mio. anonymisierte europäische Mitarbeiterprofile und mehr als 1 Mio. Technologieprofile.

Schulische und universitäre Ausbildung als erste Gatekeeper für Mädchen und Frauen

Laut der Studienautoren gibt es während der Grund- und Sekundarschulbildung keine Hinweise darauf, dass Jungen besser in Mathe oder Informatik sind als ihre Klassenkameradinnen. Trotz Parität nach der Schulausbildung zeigt sich ein erster dramatischer Absturz (-18 Prozentpunkte) bei Frauen, die sich für eine universitäre MINT-Disziplin (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) einschreiben. Der Rückgang ist mit -31 Prozentpunkten sogar noch signifikanter bei jungen Frauen, die ihre akademische Ausbildung in einer IKT-Disziplinen (Informations- und Kommunikationstechnik) absolvieren. Dieser Rückgang hat das Potenzial, einen sich selbst erfüllenden Abwärtszyklus zu erschaffen. Da nur 19% der IKT-Bachelor-Studenten Frauen sind, sind sie unter dem Gros männlicher Mitstudenten isolierter und fallen eher durchs Raster, bevor sie ihr Studium erfolgreich abschließen können.

Beinahe Geschlechterparität im MINT-Bereich in nord- und osteuropäischen Ländern

Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten: Während die nord- und osteuropäischen Länder fast eine Geschlechterparität im MINT-Bereich erreichen, hinken die süd- und mitteleuropäischen Länder hinterher. So liegt Deutschland mit einem Frauenanteil von 22% bei Bachelor-Abschlüssen in MINT-Fächern deutlich unter dem EU-Schnitt (32%). Die vorderen Plätze belegen Griechenland (41%), Schweden (41%), Estland (40%) und Polen (40%).

Gründe für die ungleiche Entwicklung liegen der Studie zufolge vor allem in Stereotypen und falscher gesellschaftlicher Wahrnehmung der MINT-Fähigkeiten von Mädchen gegenüber Jungen. Mädchen werden häufig geringere MINT-Fähigkeiten zugesprochen als Jungen. Gepaart mit dem Einfluss allgemeiner Stereotypen und dem Mangel an weiblichen Vorbildern führten diese Vorurteile zu mehr Erwartungsdruck bei gleichzeitig geringerer Unterstützung von Mädchen und Frauen durch Lehrer, Kommilitonen oder Eltern.

Einstieg ins Berufsleben senkt den Frauenanteil in Tech-Profilen noch einmal deutlich

Der zweite Drop-off-Punkt offenbart sich nach der universitären Ausbildung. Die Analysen der Studienautoren zeigen, dass nur 23% der MINT-Absolventinnen beim Einstieg ins Berufsleben eine Tech-Rolle übernehmen. Bei Männern ist der Wert mit 44% nahezu doppelt so hoch. Ein Blick in die einzelnen Profile zeigt die ungleiche Verteilung detaillierter: Im Bereich Produktmanagement und UX/UI-Design liegt der Frauenanteil bei 46%. Jobprofile mit engem Datenbezug, wie Data Engineering, -Science oder -Analytics, verfügen über eine Frauenquote von 30%. In Tätigkeitsfeldern mit dem am schnellsten wachsenden Bedarf sind Frauen nur wenig vertreten. Dies gilt mit 8% Frauenanteil etwa für die Bereiche DevOps und Cloud.

Nur jede vierte Tech-Rolle von einer Frau besetzt

Etwas positiver sieht das Bild innerhalb reiner Technologieunternehmen aus: Hier liegt der Frauenanteil über alle Beschäftigungsgruppen hinweg bei etwa 37% . Unternehmen der sozialen Netzwerke sind Spitzenreiter mit einem 50-prozentigen Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft. Das allgemeine Muster bleibt jedoch unverändert: Auch in reinen Tech-Unternehmen ist nur jede vierte Tech-Rolle von einer Frau besetzt.

Frauen können Tech-Talentlücke in europäischen Unternehmen füllen

Frauen können helfen, die Talent-Herausforderung in Europa zu bewältigen, erklären die Studienautoren. Die Frage sei, ob die europäischen Unternehmen ihre weibliche Tech-Talentlücke füllen können. Die einzige Option für europäische Tech-Unternehmen bestehe in der Diversifizierung ihres Talentpools. Das bedeute: Mehr in Talente investieren, die bislang zu wenig berücksichtigt wurden. Nur mit mehr Diversität in Europas Tech-Jobs könne man den Wettbewerbsvorteil stärken.

Vier Maßnahmen für mehr Diversität in Europas Tech-Berufen

Auch wenn es keine schnelle Lösung gibt, um die Geschlechterdiversität in MINT-Fächern und Tech-Berufen zu erhöhen, haben die Studienautoren vier Handlungsfelder identifiziert, die das Ungleichgewicht deutlich reduzieren könnten.

Folgende konkrete Maßnahmen werden in der Studie vorgeschlagen:

1. Reframen – Frauen im Technologiebereich ermöglichen, am Arbeitsplatz erfolgreich zu sein

Unternehmen können die Anzahl der Frauen in Technologiepositionen um 480.000 auf 1 Mio. erhöhen, indem männliche Führungskräfte eine Kultur der Unterstützung schaffen, damit Frauen in der heutigen digitalen Belegschaft erfolgreich sein können. Diese Maßnahmen inkludieren effektives Sponsoring, den gezielten Abbau von Vorurteilen sowie kognitiven Verzerrungen, flexible Arbeitsmodelle und Kinderbetreuung.

2. Binden – Frauen einen Grund geben, in Tech-Rollen zu bleiben

Mehr als die Hälfte der Frauen im Technologiebereich verlassen die Branche bis zur Mitte ihrer Karriere. Das sind mehr als doppelt so viele wie Männer. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass viel weniger Frauen Führungspositionen erreichen. Durch die Lösung dieses Problems können europäische Unternehmen die Zahl der Frauen im Technologiebereich um 370.000 auf 440.000 erhöhen. Ein Teil der Lösung könnte laut der Studienautoren etwa sein: Die Bindung weiblicher Talente als einen wichtigen Leistungsindikator für die Bewertung von Führungskräften einführen.

3. Umschichten – Mehr Talente aus nicht-traditionellen Talentpools entwickeln

Unternehmen können die Anzahl von Frauen in Technologiepositionen bis 2027 um 530.000 auf 1,8 Mio. erhöhen, indem sie aus bislang unerschlossenen, aber artverwandten Talentpools rekrutieren, diese ausbilden und ihre technologischen Fähigkeiten weiterentwickeln. Vor allem große Tech-Unternehmen sind Vorreiter dieser Strategie. Dies gilt sowohl für Frauen mit als auch ohne MINT-Background.

4.Intensivieren – Abbruchrate von MINT-Studiengängen verringern

Soll ein signifikanter Wandel gelingen, muss die die Zahl erfolgreicher MINT-Studienabschlüsse von Frauen erhöht werden. Mehr und bessere Praktika, Mentoring und Coaching von Frauen bei der Vorbereitung auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt und die aktive Rekrutierung von Frauen für die Arbeit an innovativen Projekten in Führungspositionen können zu erheblichen Verbesserungen führen. Programme wie diese könnten dazu beitragen, die Zahl der Frauen im Technologiebereich von 225.000 auf 695.000 zu erhöhen. Parallel dazu müssen die früheren Abbrüche in der Grund- und Sekundarschulbildung ebenfalls angegangen werden.

Den Studienreport von McKinsey & Company mit dem Titel „Women in tech: The best bet to solve Europe’s talent shortage“ können Sie hier herunterladen.

(Pressemitteilung McKinsey&Company vom 24.01.2023)


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