FinTechs nähern sich ihrem nächsten Meilenstein – der Profitabilität. Sie haben während der COVID-19-Pandemie nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen, sondern auch trotz branchenweiter operativer und finanzieller Herausforderungen ein zweistelliges Wachstum verzeichnet. Als Reaktion auf die wachsende Beliebtheit von FinTechs bei den Verbrauchern und in der Erwartung baldiger Profitabilität, bauen traditionelle Banken rein digitale Einheiten auf, um bestimmte Kundensegmente anzusprechen, so der World FinTech Report 2021 von Capgemini und Efma.
Während des pandemischen Lockdowns sind für FinTechs die Kosten für Personal, das Onboarding von Kunden und die Datenspeicherung in die Höhe geschnellt, daher erwartet der Umfrage zufolge mehr als die Hälfte (51%) dieser Unternehmen eine Beeinträchtigung ihrer Kapitalreserven. Doch trotz eines volatilen Umfelds verzeichnete der FinTech-Sektor im vierten Quartal 2020 ein Wachstum der Investitionsaktivitäten von 11% im Vergleich zum Vorjahr, nach vier aufeinanderfolgenden Jahren des Rückgangs. Bei FinTechs im Spätstadium ihres Start-up-Daseins stiegen die Investitionen von 2019 bis 2020 um 9%. FinTechs mit einem breiten Produktportfolio gewinnen nun auch vermehrt die Unterstützung von Investoren.
Hohe Nachfrage nach digitalen Angeboten
Durch die Pandemie haben digitale Modelle überall auf der Welt eine hohe Nachfrage erfahren. Dies hat FinTechs in die Lage versetzt, Marktanteile zu erobern, während sie gleichzeitig den Wettbewerb in der Branche anheizen und den Druck auf die etablierten Banken erhöhen. 25% der globalen Verbraucher, die auf der Suche nach schnellerem Zugang, personalisierten Dienstleistungen und Bequemlichkeit sind, geben an, dass sie Bankprodukte von sogenannten New-Age-Unternehmen ausprobieren würden.
Traditionelle Banken mit Vertrauensvorschuss
Doch obwohl die Verbraucher FinTechs zunehmend akzeptieren, vertrauen sie weiterhin den traditionellen Banken. 68% sagen, dass sie ein rein digitales Angebot ihrer Hausbank ausprobieren würden. Die jahrzehntelang betriebene technische Flickschusterei und verflochtene Legacy-Technologien stellen dabei die etablierten Banken vor große Herausforderungen bei der Transformation. Darüber hinaus zeigen die Nachbeben von COVID-19, dass ein Aufschieben von Maßnahmen keine Option mehr ist.
FinTech-inspirierte digitale Journeys müssen für Banken auf breiter Front zum Weg in die Zukunft werden. Allerdings müssen die Akteure gezielt vorgehen. Es gibt keinen One-Size-Fits-All-Ansatz, und Banken können nicht alle digitalen Tochtergesellschaften gleich gestalten, erklären die Studienautoren. Die Akteure, die heute in der Lage sind, langfristiges Wachstum und Profitabilität zu erzielen, werden die Erfolgsgeschichten der FinTech-Ära von morgen schreiben, so die Analyse.
Nahtlos digitales Erlebnis mit Hindernissen
Etablierte Banken wollen ihre Stärken (globale Reichweite und hohes Kundenvertrauen) nutzen und gleichzeitig ihre Schwächen (veraltete IT und schlechtes Kundenerlebnis) beheben, um zukünftig relevant zu bleiben. Im Mittelpunkt steht das Kundenerlebnis, und die Banken erkennen nun das Potenzial von nahtlosen digitalen Interaktionen. So gaben von den befragten Bankmanagern 63% an, dass eine rein digitale Tochtergesellschaft ein allgegenwärtiges Banking ermöglicht. Die Hälfte (50%) sagt, dass sie über diese neuen Produkte schneller auf den Markt bringen, und 52% glauben, dass sich dadurch die Zusammenarbeit mit dem Ökosystem dank Plug-and-Play-Funktionalität erleichtert.
Traditionelle Banken müssten ein hybrides Modell entwickeln
Der Report skizziert für etablierte Banken, die eine reine Digital-Tochtergesellschaft gründen wollen, drei Ansätze: Vom Grunde auf neu (Greenfield), basierend auf teilweise vorhandenen Strukturen (Brownfield) oder im Mix von existierenden und neuen Systemen (Bluefield). Für alle Ansätze wird eine „Right-Field-Methode“ empfohlen, mit der eine Vision definiert, eine solide Grundlage entwickelt und das langfristige Wachstum durch eine fördernde Kultur vorangetrieben wird. Allerdings behindern veraltete Denkweisen und Geschäftsmodelle bei den etablierten Banken den Weg zu einer reinen Digital-Bank. So gaben die befragten Führungskräfte an, dass die Muttergesellschaft nicht langfristig genug unterstützt (47%) oder dass eine kurzfristige strategische Kannibalisierung des Kundenstamms der Muttergesellschaft nicht akzeptiert wird (43%). Weiterhin gaben mehr als die Hälfte (55%) an, dass sie nur schwerlich mit unzureichenden reinen Digital-Angeboten umgehen können. Da FinTechs weiter Einfluss und Marktanteile gewinnen, müssen traditionelle Banken ein hybrides Modell entwickeln, in dem sie ihre Middle- und Back-Office-Abläufe hinter den Kulissen modernisieren und gleichzeitig mehrere reine Digital-Einheiten schaffen, um einzelne Kundensegmente zu bedienen, so der Rat der Studienautoren.
Der Analyse zufolge hat die Pandemie hat das traditionelle Retail-Banking-Umfeld noch anspruchsvoller gemacht. Wenn etablierten Banken relevant bleiben wollen, ist es jetzt an der Zeit, das Finanzwesen in den Lebensstil der Kunden einzubetten und plattformbasierte Modelle zu übernehmen. Aufschieben ist keine Option mehr, so der World FinTech Report 2021.
Verbraucher äußern Interesse an grünem Banking
Neben dem Wettbewerbsdruck am Markt sehen die etablierten Banken auch einen wachsenden gesellschaftlichen und regulatorischen Druck in Richtung grüner und nachhaltiger Angebote. Laut der „Global Retail Banking Voice of the Customer“-Umfrage 2021 wünschen sich 65% der Verbraucher weltweit, dass Banken ihren ökologischen Fußabdruck durch papierlose Prozesse, den Verbrauch erneuerbarer Energien und das Angebot biologisch abbaubarer Karten reduzieren. Fast ein Drittel der Verbraucher würde für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen einen Aufpreis zahlen – oder für umwelt- und sozialverträgliche Produkte zu einem neuen Anbieter wechseln. Ausschließlich digitale Banken sind von Natur aus gut aufgestellt, um nachhaltige Finanzen zu unterstützen – mit papierlosen Prozessen und ohne Filialnetz.
Den World FinTech Report finden Sie hier zum Download.
(Pressemitteilung Capgemini vom 27.05.2021)