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08.02.2017

Finanzmarktrisiken 2017: Faule Kredite und dünne Kapitaldecken

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Die Finanzmarktrisiken in Deutschland sind zwischen Januar 2016 und Januar 2017 etwas gesunken. Allerdings bleiben sie im langfristigen Vergleich relativ hoch. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Finanzmarktstabilitätsreport des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Finanzmarktrisiken in Deutschland sind zwischen Januar 2016 und Januar 2017 etwas gesunken. Allerdings bleiben sie im langfristigen Vergleich relativ hoch. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Finanzmarktstabilitätsreport des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Der Bankensektor gibt Grund zur Sorge: Die Kapitaldecke wichtiger deutscher Geldhäuser ist nach wie vor dünn. In europäischen Nachbarländern sitzen viele Banken auf faulen Krediten. Hinzu kommen eine Renaissance gefährlicher Finanzinstrumente, hohe Unternehmensschulden in China und die Aussicht auf eine Deregulierung unter dem neuen US-Präsidenten. Die aktuelle IMK-Analyse zeigt, wo die größten Risiken für die Finanzmärkte liegen. Besonders instabil ist danach weiterhin der Euroraum.

Risiko 1: Banken sitzen auf faulen Krediten

In den Bilanzen europäischer Banken stecken zu viele notleidende Kredite. Als notleidend werden Kredite eingestuft, bei denen Kreditnehmer mit der Rückzahlung mehr als 90 Tage im Verzug sind. Dies trifft auf sieben Prozent der Forderungen in den Büchern europäischer Banken zu. Das Volumen fauler Kredite im Euroraum beträgt etwa eine Billion Euro – ein Drittel davon entfällt auf italienische Institute.

Risiko 2: Die Kapitaldecke deutscher Banken ist dünn

Bei den deutschen Banken ist der Anteil notleidender Kredite gering und auch die Eigenkapitalausstattung hat sich verbessert: Bezogen auf die risikogewichteten Aktiva verdoppelten sich ihre Eigenkapitalquoten seit 2008 nahezu – auf durchschnittlich knapp 16 Prozent. Auch im jüngsten Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht schnitten deutsche Institute deutlich besser ab als zuvor. Wendet man allerdings strengere Vorgaben für die Verschuldungsquote an, so wie es die USA inzwischen tun, zeigen sich erhebliche Defizite: Deutsche Großbanken gehören zu den Instituten in Europa, die im Falle gravierender Finanzmarktturbulenzen die größten Kapitallücken hätten.

Risiko 3: Fragwürdige Finanzinstrumente erleben ein Comeback

Die von der EU-Kommission geplante Kapitalmarktunion soll die Finanzmärkte sicherer machen, könnte aber das Gegenteil bewirken. Ein Teil des Plans sieht die Schaffung eines europaweiten Marktes für verbriefte Kredite vor. Ziel ist es, den Banken zu ermöglichen, Kreditrisiken mithilfe von Verbriefungen auszulagern. Dadurch sollen sie mehr Spielraum für Kredite an Unternehmen gewinnen. Bei einer Verbriefung werden Forderungen, zum Beispiel Bankdarlehen, in Wertpapiere verpackt und anschließend an Investoren verkauft. Die IMK-Forscher halten wenig von dem Plan: Erstens sei die Kreditversorgung derzeit gar nicht das größte Problem der Unternehmen. Vielmehr halte sie die mangelnde Nachfrage und hohe Unsicherheit vom Investieren ab. Zweitens gingen von Verbriefungen neue Gefahren aus. Es sei zwar richtig, dass das Risiko eines einzelnen Portfolios durch breite Streuung gesenkt werden könne. Dadurch verringere sich aber nicht das Gesamtrisiko des Finanzsystems. Durch eine stärkere Vernetzung der Finanzmarktakteure könnten die systemischen Risiken sogar steigen.

Risiko 4: Politischer Wille für sichere Staatsanleihen fehlt

Die Staatsanleihen der Eurostaaten sind aus Sicht der Finanzmarktteilnehmer keine „sicheren Wertaufbewahrungsmittel“ und erhöhen dadurch die Risiken für die Finanzmarktstabilität. Hierin liegt nach Ansicht der IMK-Experten ein wesentlicher Konstruktionsfehler des Euroraums: Wenn Investoren stets die Umschuldung von Staatsanleihen oder den Austritt einzelner Staaten aus der Währungsunion befürchten müssen, könne kein Vertrauen im Euroraum entstehen. Es sei ein Fehler gewesen, Schuldenschnitte zu befürworten und Umschuldungsklauseln schon bei der Ausgabe von Staatspapieren festzuschreiben. Sollte sich die Bundesregierung mit ihrer Forderung durchsetzen, Staatsanleihen ähnlich wie private Wertpapiere zu behandeln, würde dies den Status als sichere Geldanlage noch weiter untergraben, schreiben die Forscher.

Risiko 5: Chinas Unternehmen sind überschuldet

Abseits des Euroraums geht eine der größten Gefahren von China aus: Zwar ist die Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, doch noch schneller sind die Schulden der chinesischen Unternehmen gewachsen. Die Verschuldung der Firmen entspricht etwa 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – mehr als in jedem anderen großen Wirtschaftsraum. Die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen befindet sich zwar im Eigentum des Staates, der eine relativ niedrige Verschuldung aufweist. Dennoch könnte sich daraus eine ernstzunehmende Gefahr nicht nur für China, sondern für die gesamte Weltwirtschaft entwickeln – schließlich sind chinesische Unternehmen weltweit als Investoren oder Kunden tätig.

Risiko 6: Unter Trump droht Deregulierung

Noch ist offen, wie sich die USA unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump entwickeln werden. Es gibt Hinweise darauf, dass die künftige Regierung erwägt, einige Regeln, die seit der Finanzkrise eingeführt wurden, zurückzunehmen. Der republikanische Vorsitzende des Ausschusses für Finanzdienstleistungen im Repräsentantenhaus hat zwei Maßnahmen ins Gespräch gebracht: erstens eine Entschärfung der Volcker-Regel, die den Eigenhandel von Universalbanken einschränkt, und zweitens eine Befreiung der kleineren Banken vom Stresstest der US-Notenbank Federal Reserve. Sollten die USA tatsächlich einen Deregulierungskurs einschlagen, würde sich dies auch im Rest der Welt auswirken. Vorschriften, die die internationalen Finanzmärkte weniger krisenanfällig machen sollen, so wie im Regelwerk Basel III vorgesehen, ließen sich ohne Unterstützung der USA nur schwer umsetzen. Gleichwohl, so die IMK-Forscher, liegt es in der Macht und im Interesse Europas, das eigene Bankensystem streng zu regulieren, um das Risiko zu verringern, dass von ihm erneut eine Krise ausgeht.

(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 06.02.2017/ Viola C. Didier)


Redaktion

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